Hans Thoma: Wege als Künstler, Privatperson und Direktor der Staatlichen Kunsthalle (Teil II)

Schwarzweißes Gruppenfoto, welches Emil Lugo, Cella Thoma und Hans Thoma zeigt. Die drei Personen sitzen nebeneinander. Thoma hat seine Hand auf der Schulter seiner Frau, beide schauen in die Kamera. Emil Lugo sieht zur Seite.

Von links nach rechts: Emil Lugo, Cella Thoma und Hans Thoma, o.O., o.D., Fotograf: mutmaßlich Carl Lugo, Badische Landesbibliothek, K 3077,2

Undine Remmes, 25.2.2025

DOI: https://doi.org/10.58019/y1ga-ht25

Hans Thomas Verbindung zu seiner Heimat Baden ergibt sich nicht nur aus seiner Herkunft aus dem Schwarzwald. Er hatte ebenfalls eine Beziehung zur Stadt Karlsruhe. Thoma, der nach dem Tod des Vaters und seines Bruders mit seiner Schwester und seiner Mutter in Bernau im Schwarzwald lebte, hatte Lehren als Lithograf, Anstreicher und Uhrenschildmaler begonnen. In einem Brief an einen unbekannten Empfänger schrieb Thoma 1891 über sein bisheriges Leben. Darin schilderte der Künstler die familiäre Situation nach dem Tod des Vaters 1855 als mittellos. Doch Thoma hatte Glück: „Im Jahre 59 wurde ein Beamter in der Nachbarschaft auf meine Arbeiten aufmerksam es gelang ihm den Großherzog dafür zu intressiren und da sich der damalige Kunstschuldirektor W. Schirmer in Carlsruhe sehr zu meinen Gunsten aussprach so wurde es mir möglich gemacht in die Kunstschule einzutreten.“ (Brief von Hans Thoma mit Autobiographie und Werkverzeichnis an einen unbekannten Empfänger, November 1891, Frankfurt am Main, Badische Landesbibliothek, K 2727,34,1)

Ab 1859 studierte er an der Großherzoglichen Kunstschule in Karlsruhe unter anderem bei Johann Wilhelm Schirmer, Carl Friedrich Lessing und Hans Canon. Der junge Künstler lebte fortan lediglich im Winter in Karlsruhe, die Sommer verbrachte er bei seiner Mutter und seiner Schwester auf dem heimatlichen Hof in Bernau, wo er viele Naturstudien und Porträts anfertigte. Während seines Studiums lernte Thoma unter anderem die Maler Philip Röth und Emil Lugo kennen, mit denen er lebenslang befreundet blieb.

Wege des Künstlers

Die Jahre nach seinem Studium waren von Unruhe, finanzieller Misere und Ortswechseln geprägt: 1867 verbrachte Thoma, in der Hoffnung auf Verkaufserfolge, einige Zeit in Düsseldorf, wo er den Künstler Otto Scholderer kennenlernte. Ein Jahr darauf reisten er und Scholderer zusammen nach Paris, wo die beiden Gustave Courbets Atelier besuchten. Zurück im heimischen Bernau malte Thoma, inspiriert von Courbet, mit großer Begeisterung direkt nach der Natur und war sehr produktiv. Aus den Briefen Thomas geht hervor, wie eng der Künstler mit der Natur seiner Heimat verbunden war.

Am 27. Juni 1898 schrieb Thoma an seinen Freund und Kollegen Philipp Röth:

„Ich wollte gerne in Bernau Studien malen aber das Wetter ist gar zu schlecht und ich komme zu nichts, doch ich freue mich sehr an der eigenartigen Schönheit meines Heimathsthales das ja Du vor vielen vielen Jahren auch einmal besucht hast. […] Für Deine Gratulation zum Professorentitel danke ich Dir herzlich — Du weißt es ja daß ich nie nach so äußerlichen Ehren gestrebt habe, aber ich nehme sie nun da sie kommen mit vielem Gleichmuth entgegen, aber wirklich gefreut hat es mich doch daß der Großherzog mir das Ritterkreuz I Klasse des zähringer Löwenordens verliehen hat. Es ist für mich eine Genugthuung für eine schlimme Zeit die in Karlsuhe in den Jahren 68 u 69 über mich ergangen ist.“ (Brief von Hans Thoma an Philipp Röth, 27.06.1898, Bernau, Badische Landesbibliothek, K 2716,29). Worauf Thoma hier verwies, ist eine Zeit, in der der Künstler sich finanziell und künstlerisch in einer prekären Lage befand. Denn auf Anraten des Direktors der Karlsruher Akademie Prof. Hans Gude stellte Thoma seine Bilder im Karlsruher Kunstverein aus und schrieb dazu in seiner Autobiographie Im Winter des Lebens: „Meine Bilder stellte ich nach und nach im Kunstverein aus. Aber da gab’s einen geradezu lächerlichen, mir unbegreiflichen Sturm.“

(Hans Thoma, Im Winter des Lebens: aus acht Jahrzehnten gesammelte Erinnerungen; aus Anlaß d. 150. Geburtstags d. Künstlers, hrsg. Vom Landkreis Waldshut und der Gemeinde Bernau, Eggingen 1989, S. 67)

Zu sehen ist ein Gemälde von Hans Thoma, welches eine Schwarzwaldlandschaft zeigt. Im Vordergrund spielen Kinder bei einem Bach, im Hintergrund ist ein Hof zu erkennen.

Abb. 9: Hans Thoma, „Schwarzwaldlandschaft“, 1867, Öl auf Leinwand, 59 x 78 x 2,5 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. Nr. 2746, signiert und datiert (unten rechts): Hthoma 1867, CC0 Creative Commons

Das Portrait der Mutter und der Schwester des Künstlers aus dem Jahre 1866 vermittelt einen guten Eindruck vom Stil Thomas zu dieser Zeit. Ob genau dieses Werk tatsächlich im Kunstverein ausgestellt war, ist allerdings nicht bekannt. Einige Mitglieder des Kunstvereins wollten Hans Thoma sogar gänzlich das Ausstellen seiner Werke untersagen. Thoma, der stets nach seiner Art malen wollte, beugte sich kurzzeitig dem Rat Gudes, so zu malen, wie es dem Publikum beliebte, doch er bereute dies. Verzweifelt und finanziell schlecht aufgestellt, verließ Thoma Karlsruhe – nicht ohne zuvor eine Vielzahl seiner Werke zu zerstören, in der Hoffnung dadurch einen Weg zu finden, um Neues und Besseres zu schaffen. In dieser Zeit der widrigen Umstände lernte Thoma den Künstler Wilhelm Steinhausen kennen, mit dem ihn von da an eine enge und lange Freundschaft verband.

Thoma ging schließlich 1870 nach München, wo er Verbindungen zum Münchner Leibl-Kreis pflegte, dem unter anderem auch Thomas Kollegen, teils Freunde, Wilhelm Trübner, Otto Scholderer, Albert Lang, Louis Eysen und Victor Müller angehörten. Die Lage war noch immer nicht rosig, doch immerhin ließen sich einige Werke verkaufen. 1874 dann verbrachte Hans Thoma einige Zeit in Frankfurt am Main bei seinem engen Freund Doktor Otto Eiser, dem Leibarzt Richard Wagners.

Thomas Familienleben

Zwischenzeitlich hatte Thoma über Victor Müller seine zukünftige Frau Bonicella Bertender, kurz Cella, kennengelernt. Die 19 Jahre jüngere Cella war ein Modell Müllers in München und später auch selbst Malerin. An seinen Freund Emil Lugo schrieb Thoma in einem undatierten Brief:

„Außerdem, aber lache mich nicht aus, habe ich mich trotz meiner kümmerlichen Lage recht ernstlich verliebt, u[nd] genieße die Freuden und Schmerzen dieses Zustandes in vollstem Maße. […] Schreibe mir bald wieder, ich weiß nichts mehr – ich bin in einem zu unruhigen Zustande um viel zu schreiben und warte nur auf Geld um nach München zu gehen.- Oder mich zu verloben.-“

(Brief von Hans Thoma an Emil Lugo, o. D., o.O., Badische Landesbibliothek K 2868,42-103)

Die Hochzeit folgte 1877, bald darauf die Übersiedlung nach Frankfurt, wo Thoma seit einem Jahr ein gemeinsames Atelier mit seinem Freund Wilhelm Steinhausen genommen hatte. Die ganze Familie Thoma ging gemeinsam nach Frankfurt: Thomas Mutter Rosa, in vielen Briefen sogar von seinen Freunden „Müttleri“ genannt, und seine Schwester Agathe, oft Agathle genannt, kamen ebenso mit wie Cella. Die Planung des Umzugs erfolgte im Winter des Jahres 1877 teils per Brief, während Thoma in Frankfurt war, um eine Wohnung auszusuchen und die Übersiedlung zu organisieren. In diesen Briefen fand sich ein kleines Rätsel, denn auch ein Familienmitglied namens „Peter“ wird erwähnt:

„Peter muß jedenfalls auch her es ist genug Platz für ihn in der Wohnung“ Nanu, wer ist denn Peter? Der nächste Satz sorgt für etwas Klarheit. Er lautet: „Ihr könnt ihn wohl in einen mit Heu gefüllten Korb thun.“

(Brief von Hans Thoma an Rosa, Agathe und Cella Thoma, Frankfurt, Dezember 1877, Badische Landesbibliothek, K 2727,37)

Es handelte sich demnach um ein Haustier. Doch welche Art von Haustier blieb vorerst unklar. Thoma selbst gab in seinem Buch Im Winter des Lebens die Antwort:

„Im Dezember ging ich zum Einpacken nach Säckingen. Dann reisten wir, Mutter und Agathe, Cella, unser Kater Peter und ich, ab und waren am Abend in Eisers gastlichem Hause. Den Kater Peter, den behaglich schnurrenden Hausgenossen, konnten wir nicht zurücklassen. Es steckt immer etwas wie ein Geheimnis in so einem Tier, mit dem wir in Verkehr treten. Peter fand sich auch in Frankfurt bald zurecht.“

(Hans Thoma, Im Winter des Lebens: aus acht Jahrzehnten gesammelte Erinnerungen; aus Anlaß d. 150. Geburtstags d. Künstlers, hrsg. Vom Landkreis Waldshut und der Gemeinde Bernau, Eggingen 1989, S. 101)

Schwarzweiße Porträtfotografie von Hans Thoma und seiner Schwester.

Abb. 13: Hans Thoma und seine Schwester Agathe Thoma, o.O., o.D., Fotograf: unbekannt, Badische Landesbibliothek, K 3077,2

Ein weiteres Familienmitglied, das die Familie zu dieser Zeit erweitere, war Cellas Nichte Ella, die von Hans und Cella wohl 1878 als kleines Mädchen adoptiert wurde. Die Hintergründe zu dieser Adoption sind nicht bekannt, doch Ella war fortan für Thoma wie eine eigene Tochter.

Künstlerreisen

Thoma unternahm in den folgenden Jahren viele Reisen, teilweise zusammen mit seiner Frau. Der Künstler war sehr von der Natur und der Landschaft anderer Länder beeindruckt und angetan, konnte sich kaum sattsehen an dem, was die Welt zu bieten hatte. Er berichtete vor allem seiner Familie in einer Vielzahl von Briefen von seinen bewegenden Augenblicken in fernen Ländern. Thoma äußerte sich begeistert über Pompeji, Venedig, Florenz und die Kunst- und Architekturschätze Italiens. Neapel nahm er als schmutzig und arm, aber dennoch berauschend wahr und beschrieb es sogar als noch aufregender als London. Nach der Italienreise 1880 malte Hans Thomas seine Frau Cella im darauffolgenden Jahr im italienischen Kostüm. Die Reise hatte auf Thoma starken künstlerischen Einfluss und so orientierte er sich bei dem Portrait seiner Frau sowohl in Bezug auf das Motiv als auch stilistisch an der italienischen Renaissance. Der von Thoma gewählte Darstellungstyp erinnert an die Frauenportraits des venezianischen Malers Tizian. Die Blumen, welche Cella im Arm hält, verweisen wohl auf ihre Tätigkeit als Malerin von Blumenstillleben.

Die folgende Zeit war von zunehmender Anerkennung geprägt, Thoma und seine Familie blieben ganze 23 Jahre in Frankfurt und der Künstler fand Eingang in den Frankfurter Künstlerkreis. Über den engen Freund der Familie Dr. Otto Eiser entstand auch der Kontakt zum Wagner-Kreis und darüber wiederum die Freundschaft zu dem Kunsthistoriker Henry Thode. Dieser war mit Daniela von Bülow, der Tochter Cosima Wagners aus erster Ehe, verheiratet. In die Frankfurter Zeit fiel auch die Bekanntschaft mit dem bereits genannten Liverpooler Kunsthändler Charles Minoprio, der zu Beginn der 1880 Jahre eine Ausstellung mit 60 Bildern Thomas veranstaltete. Doch, wie Thoma selbst in der bereits genannten Biografie an einen unbekannten Empfänger schrieb, brachte erst eine Ausstellung im Kunstverein in München im Jahre 1890 den gewünschten Erfolg. Im dritten Teil des Blogartikels wird Thomas Wirken als Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe vorgestellt.

Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Das Ende des 19. Jahrhunderts war für den Künstler Hans Thoma von starken Umbrüchen und herben Verlusten geprägt.1897 verstarb Thomas Mutter, kurz darauf 1898 sein enger Freund Dr. Otto Eiser, der, so Thoma, für ihn wie ein Bruder war. Beide Verluste trafen den Künstler schwer. Die Familie zog erst aufgrund Thomas Ernennung zum Professor an der Großherzoglichen Kunstschule und zum Direktor der Kunsthalle im Jahr 1899 nach Karlsruhe. Doch bereits 1901 starb Thomas Ehefrau Cella in Konstanz auf einer Reise. Nach qualvollen Wochen erlag sie am 23. November einer Blinddarmentzündung. Diesen Verlust, so erscheint es anhand der Dokumente, hat Thoma nie verwunden. Ein Jahr darauf starb auch sein enger Studienfreund Emil Lugo. 1904 erkrankte Thomas Tochter schwer an einer Nierenbeckenentzündung, was den Künstler vor allem nach dem Tod seiner Frau in Angst versetzte, doch Ella erholte sich. Eine enge Beziehung unterhielt Thoma in dieser Zeit zur 35 Jahre jüngeren Künstlerin Frances Grun. Thoma und Grun waren im Jahre 1905 kurzzeitig verlobt, doch die Verbindung wurde wieder gelöst und die beiden blieben bis zum Tod des Künstlers eng befreundet.

Hans Thoma arbeitete nun noch mehr: sein unermüdlicher Schöpfergeist paarte sich nun mit seiner engagierten Tätigkeit als Direktor der Kunsthalle. Die Kunsthalle Karlsruhe selbst gibt in Zusammenhang mit ihrer aktuellen Ausstellung „Hans Thoma ein Maler als Museumsdirektor“ an, dass während seiner Amtszeit 400 Gemälde, 1.100 graphische Arbeiten und 30 plastische Arbeiten durch Kauf, Schenkung und Vermächtnis erworben wurden. Wie auch bei seinem eigenen Schaffen verließ Thoma sich hierbei nicht auf aktuelle Tendenzen, sondern wählte vor allem badische Künstler und solche, deren Kunstwerke seinem eigenen Kunstverständnis nahe waren. Dies alles schien sich bezahlt zu machen, denn Thoma wurde mittlerweile hochgeschätzt und vielfältig ausgezeichnet: um 1899 erhielt er das Ritterkreuz I. Klasse des Zähringer Löwens, 1902 den Maximiliansorden in der Abteilung für Kunst, 1909 und 1913 wurde er im Landtag zum Mitglied der ersten Kammer ernannt, 1910 erhielt er die Ehrendoktorwürde von der Universität Berlin, 1917 den Orden „Pour Le Mérite“ für Wissenschaft und Künste, 1919 wurde ihm der Ehrendoktortitel von der Technischen Hochschule Karlsruhe verliehen, 1922 wird er von der Universität Heidelberg zum Ehrensenator ernannt. 1904 regte sogar der Großherzog persönlich die Errichtung eines Thoma-Museums an, für das der Künstler einen elfteiligen Gemäldezyklus zum Leben Christi schuf. Bereits fünf Jahre später wurde das Thoma-Museum als Teil des neuen Nordflügels der Kunsthalle eröffnet. Doch trotz aller Erfolge sind Thomas Korrespondenzen im 20. Jahrhundert nach den herben Verlusten und vor allem dem Tod seiner Frau von Ernst, Schwermut und Einsamkeit geprägt.  Thoma arbeitete noch mehr, flüchtete sich in sein Schaffen.

In einem Brief vom 31. März 1912 an den Maler Willi Münch zu dessen Hochzeit schrieb Hans Thoma:

„Lieber Herr Münch! An Sie und Ihre verehrte liebe Frau sende ich zu Ihrem Bunde, die herzlichsten Glück- und Segenswünsche! Es ist ja der schönste und innigste Bund die Ehe; welchen wir Menschen schließen können, es ist auch der ernsteste Bund und man möchte ihn wohl heilig nennen, wie es ja auch die Kirche thut. Dieser Treubund ist ja auch die Erfüllung des menschlichen Sehnens und er kann uns in all die Dunkelheiten des irdischen Daseins Paradiesesfrieden bringen. Möge dieser Paradiesesfriede Ihnen in reichem Maase und recht lange beschieden sein. Ich habe diesen Frieden kennen gelernt und gönne und wünsche ihn allen guten Menschen die den Lebensbund schließen. Vielleicht erst dann so recht, als der grausame Tod mir die Gefährtin entrissen und die Pforten des Paradieses sich über dem Grabe schloßen, empfand ich was ich verloren hatte und war später froh darüber daß ich in eifriger Arbeit mein einsam Dasein ausfüllen konnte.“

(Brief von Hans Thoma an Willi Münch-Khe, Karlsruhe, 31.03.1912, Badische Landesbibliothek, K 2721,5)

Doch nicht nur seine Arbeit und seine Familie waren dem Künstler wichtig. Auch zu seinen Freunden pflegte er innige Beziehungen. Ein Brief an seinen alten Studien-Freund Philipp Röth vom 8. Januar 1921 verdeutlicht dies gut:

„Ich denke jetzt so viel an die Freunde mit denen ich, besonders in der Jugend mit treuem Verständniß durchs Leben gewandert bin und da weiß ich daß Du als der treusten Einer mir unwandelbar mit deiner Freundschaft nahe standest — so sehr uns auch Schicksal auseinander führte, daß wir uns oft lang nicht sahen wie wir wiederzusammen kamen, erkannten wir uns wieder als treue Freunde. Es ist mir als ob ich Dir dieses wie ein Abschiedsgruß noch einmal sagen müßte u Dir danken müßte für Deine stille Treue. Wir werden uns ja im Leben wohl nicht mehr sehen — aber ich glaube an eine Seelensympathie die unvergänglich ist.“

(Brief von Hans Thoma an Philipp Röth, Karlsruhe, 08.01.1921, Badische Landesbibliothek, K 2716,46)

Eine sehr eindrückliche Aussage Hans Thomas zu seinem Kunstverständnis findet sich in einem Brief, den er 1887 an seinen Mäzen Charles Minoprio schrieb:

„Es komt oft so daß ich ganz mit den Augen des Publikums welches Fehler aufsucht sehe.— Die Phantasie die liebt u schafft u die Gegenstände zur Gesammtheit bindet ist dann weg — meine Bilder sind dann aufgelöst in Einzelheiten, Fleken u Fehler ja sogar in Oelfarben u hängen gebliebenen Pinselhaaren u ich würde jedem der über meine Bilder schimpft recht geben.— Es ist mir durch diesen Zustand recht deutlich daß mindestens eben so viel Phantasie zum Sehen der Bilder gehört als zum Schaffen.— Das Bild ist tod u bleibt tod wenn nicht die Phantasie des Beschauers es zum Leben auferwekt.— die Phantasie belebt ja schon zufällige Mammorfleke u gestaltet sie zum Bilde u das mit dem bewußtesten Verstande geschaffne Meisterwerk wird dem nichts sagen der nicht selber zu bilden versteht.— Kunst könnte man vielleicht die geschulte wohlerzogne Phantasie nennen — das Bild leitet die Phantasie nach einem bestimmten Wollen u Ziel hin u der größte Künstler wird wohl am bestimmtesten zu leiten verstehen u in diesem bestimmten Führen der Phantasie mag wohl auch das Geheimniß der Harmonie liegen.“

(Brief von Hans Thoma an Charles Minoprio, Frankfurt am Main, 15.06.1887, Badische Landesbibliothek, K 2929,85)

Es zeigte sich hier einerseits die Idee, die Phantasie zu leiten und andererseits auch Thomas steter Drang nach Verbesserungen und sein Wille, neue Werke zu gestalten. Trotz seiner eher konventionellen Ausrichtung hatte Hans Thoma den Betrachter stets im Blick und strebte unermüdlich nach neuen Möglichkeiten, um dessen Phantasie zu leiten. Thoma arbeitete seit seiner Jugend hart und ohne Unterlass, war stets bestrebt, sein Werk zu hinterfragen, zu lernen und sich zu verbessern. Und, wie sich bereits 1869 zeigte, blieb er seinem Kunstverständnis treu. Trotz vieler persönlicher und beruflicher Widrigkeiten führte ihn dies vor allem ab dem Ende des 19. Jahrhunderts zu großem Erfolg. Sein tiefes Verständnis vom Zusammenspiel von Künstler, Kunstwerk und Betrachter geht aus dem vorliegenden Material ebenso hervor, wie die Liebe zu seiner Familie, seinen Freunden, der Natur und seiner Heimat.

 

Literatur:

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