Abschluss des Digitalisierungsprojekts zur Bildungsgeschichte
Gerrit Heim 31.03.2023 16.25 Uhr
DOI: https://doi.org/10.58019/163a-vg69
Im Jahr 2025 wird das 200-jährige Bestehen der Polytechnischen Schule in Karlsruhe, dem Vorläufer des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), gefeiert. Die Entwicklung von dieser Schulgründung Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum heutigen KIT wirft ein spannendes Schlaglicht auf die deutsche Bildungsgeschichte. Das Jubiläum wird Anlass sein, Geschichte und Gegenwart des KIT in den Fokus der historischen Bildungsforschung zu rücken. In Vorbereitung auf dieses Ereignis, dessen Bedeutung weit über Karlsruhe hinausgeht, haben die Badische Landesbibliothek (BLB) und das KIT in einem von der Stiftung Kulturgut geförderten Kooperationsprojekt eine breite Quellenbasis zur Erforschung des Themenspektrums digital erschlossen.
Das aufwändige Projekt führt erstmals einschlägige Periodika, Monographien und weitere Druckschriften wie beispielsweise Schulprogramme und die Gründungsdokumente des Polytechnikums aus den Beständen der BLB, der KIT-Bibliothek, des KIT-Archivs und des Stadtarchivs Karlsruhe virtuell zusammen und macht sie damit für die Forschung leicht zugänglich. Insgesamt wurden im Rahmen des Projekts in der Digitalisierungswerkstatt der BLB über 95.500 Seiten digitalisiert, mit Metadaten angereichert und im Volltext durchsuchbar gemacht. Sie sind nun in den Digitalen Sammlungen der BLB recherchierbar.
Bericht über die Gründung der Polytechnischen Schule in der Karlsruher Zeitung vom 18. Oktober 1825. – zum Digitalisat
Vom „Gymnasium illustre“ bis zur Technischen Hochschule
Nachdem sich die Vermittlung von Bildung – wie überall im Deutschen Reich, so auch in Baden – zunächst in Klöstern und am Hof abgespielt hatte, wurde 1586 unter Markgraf Ernst Friedrich von Baden-Durlach (1560–1604) das „Gymnasium illustre“ in Durlach gegründet. Wilhelm von Baden-Durlach (1679–1738) verlegte knapp 140 Jahre später, 1724, das Gymnasium in die neue Residenzstadt Karlsruhe; daraus ging das heutige Bismarck-Gymnasium hervor.
Schon kurz nach der Stadtgründung 1715 wurde in Karlsruhe auch eine Elementarschule gegründet. 1756 erließ Karl Friedrich von Baden-Durlach (1728–1811) eine detaillierte Schulordnung für die Markgrafschaft, zwölf Jahre später gründete er ein Lehrinstitut für Volksschullehrer. Die allgemeine Schulpflicht in der Markgrafschaft galt seit 1757. Im Laufe der Zeit differenzierte sich das Schulwesen immer stärker aus, da der Bedarf an unterschiedlich qualifizierten Fachkräften stieg, so dass sich neben dem humanistischen Gymnasium 1774 eine an Naturwissenschaften und Technik ausgerichtete Realschule etablieren konnte. Dieser Schule war jedoch nur eine kurze Existenz beschieden und ihre Aufhebung erfolgte schon 1805.
1803 regelte ein Edikt die Schulpflicht, die Lehrinhalte und die Schulaufsicht für Baden neu. Es sah für Mädchen eine Schulpflicht vom 7. bis zum 13. Lebensjahr und für Jungen vom 7. bis zum 14. Lebensjahr vor. Es entstanden die ersten Schulen speziell für Mädchen, Höhere Töchterschulen genannt. Diese bildeten die Vorläufer der späteren Mädchengymnasien, die in etwa die heutige fünfte bis zehnte Klasse umfassten. 1834 folgte eine Verordnung zur Einrichtung von Gewerbeschulen für Lehrlinge ab 14 Jahren. Später entstanden in der Region Mädchenschulen, die der beruflichen Qualifikation im Bereich der Haushalts- und Ernährungslehre dienten; 1873 gründete der Badische Frauenverein die erste deutsche Haushaltsschule mit berufsqualifizierendem Abschluss in Karlsruhe. Auch das erste Mädchengymnasium Deutschlands eröffnete 1893 in Karlsruhe und führte sechs Jahre später die ersten vier Schülerinnen zum Abitur. Auf dieses Mädchengymnasium geht das heutige Lessing-Gymnasium in der Karlsruher Weststadt zurück.
Zeitungsartikel zum Karlsruher Mädchengymnasium aus der Karlsruher Zeitung vom 13. August 1893. – zum Digitalisat
Die Polytechnische Schule in Karlsruhe wurde am 7. Oktober 1825 von Großherzog Ludwig von Baden (1763–1830) gegründet. Die Entstehung der Hochschule wie auch die weiteren Entwicklungsschritte lassen sich anhand der normativen Quellen wie Ordnungen und Statuten nachvollziehen. Bei der 1832 erfolgten Neugestaltung durch den badischen Staatsrat Karl Friedrich Nebenius (1784–1857) gingen im Polytechnikum die von Johann Gottfried Tulla (1770–1828) geleitete Ingenieurschule und die Karlsruher Bauschule auf, als deren Vorsteher Friedrich Weinbrenner (1766–1826) fungiert hatte. 1865 wurde das Polytechnikum in einem neuen Statut als „Technische Hochschule“ definiert, die offizielle Umbenennung erfolgte 1885. Ab 1867 konnte das Studium mit einer Diplomprüfung abgeschlossen werden, und bereits ein Jahr später wurde auch die Möglichkeit zur Habilitation gegeben. 1899 erhielt die Hochschule das Recht zur Verleihung der Grade eines Diplom-Ingenieurs und eines Doktor-Ingenieurs. Damit verbunden war die Entstehung zahlreicher Qualifikationsschriften, die ebenso wie die Lehr- und Forschungswerke der Karlsruher Professoren zeigen, wie Forschungsinteressen und -schwerpunkte entstehen, ergänzt werden, sich ändern und weit über die Region hinaus Beachtung fanden.
Adressbuch der Grossherzoglich-Badischen Polytechnischen Schule in Karlsruhe für das Studienjahr 1876–1877. – zum Digitalisat
Digitalisierungsprojekt
Die Kooperationspartner haben Monographien-, Periodika- und Ephemera-Bestände im Umfang von über 95.500 Seiten ausgewählt. Der Fokus liegt auf einem inhaltlich zusammengehörigen Quellenbestand zum Themenbereich Bildungsgeschichte in Baden. Dieser umfasst z.B. Schulprogramme, Lehrerzeitungen und Lehrbücher, aber auch Gründungsdokumente der Polytechnischen Schule, Qualifikationsschriften ihrer Studierenden und Chroniken der Karlsruher Studentenverbindungen.
Die Bände wurden in den letzten Monaten durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Digitalisierungswerkstatt der BLB bearbeitet. Dazu mussten die einzelnen Titel durch die Kooperationspartner zusammengestellt und in die BLB transportiert werden. Hier wurden die Titel digitalisiert, mit Metadaten angereichert und mittels OCR als durchsuchbare Volltexte online gestellt. Der gesamte Digitalisierungsprozess wurde am Beispiel des Titels „Ein Sommer in Baden-Baden“ von Eugène Guinot bereits hier im BLBlog vorgestellt. Im Anschluss erfolgte der Rücktransport in das Magazin der BLB und zu den Kooperationspartnern.
Das Ergebnis kann in den Digitalen Sammlungen der BLB betrachtet werden. Die Titel lassen sich mittels Schnell- und Detailsuche recherchieren oder durch Stöbern in den durch die Bibliothekarinnen kuratierten Sammlungen entdecken. Darüber hinaus halten die Ergebnisse Einzug in regionale und überregionale Portale wie beispielsweise die Alma Mater-Themenseitedes landeskundlichen Portals LEO-BW.
Wir freuen uns sehr, dieses umfangreiche Digitalisierungsprojekt nun zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht zu haben und bedanken uns herzlich bei unseren Kooperationspartnern für die gelungene Zusammenarbeit. Die Vorstellungen einer Gesellschaft von richtiger und angemessener Bildung, die sozialen Gruppen, denen Bildung zuteilwerden konnte, die Bildungsinhalte und die (Aus-)Bildungsziele für den Arbeitsmarkt unterlagen einem stetigen Wandel. Der digitalisierte Quellenbestand soll die weitere Forschung zu diesem Thema befruchten und die generierten Forschungsdaten neue Fragestellungen ermöglichen.
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