Entdeck die Welt!
Eine Reise um die Welt / P. J. Landfried, Heidelberg, Rauchtabak-, Kautabak- und Zigarrenfabrik, 1933. Sammelbilderalbum mit 144 Bildern zu allen fünf Erdteilen. Signatur: 121F 148 R. - Zum Digitalisat.
Schenken Sie uns Ihre Sammelbilder-Alben von badischen Firmen!
Julia von Hiller 29.3.2021 13.15 Uhr
DOI: https://doi.org/10.58019/4m04-ft21
Und welche Bilder haben Sie als Kind gesammelt? Bei mir waren es 1971 die 3D-Bilder von Shell für das Album „Entdeck die Welt“. Damals habe ich diese Bilder geliebt. Bei meiner Schwester und mir hießen sie „Glitschbilder“. Und ich habe noch heute aus dieser Zeit eine Sammlung von 3D-Postkarten, mit Kanarienvögeln, Enten, Gemsen, Hirschen, Störchen … Das Album also füllten wir, weil unser Vater mit jeder Tankquittung von Shell in unserer Neubausiedlung kostenlos ein solches Bild als Zugabe bekam. Noch heute kann ich mich an das Atomium erinnern, das da abgebildet war. Mir sind da auch erstmals das Taj Mahal und die Niagarafälle begegnet.
Aber zurück zu dem Album. Bei Ebay lese ich, es sei heute eine Rarität und sehr gesucht. Das vollständige Album mit 36 Bildern ist ein einziges Mal im Angebot und kostet 80 EUR. Meins ist weg. Auch Bibliotheken haben so etwas nicht gesammelt. Heute findet sich ein Exemplar in der Bayerischen Staatsbibliothek, das über die Sammlung 3D-Fotografie des Publizisten Dieter Lorenz dorthin gelangt ist. Zwei weitere Exemplare kamen mit der riesigen privaten Reklamealben-Sammlung von Hartmut Köberich in die Sammlung Politische Bildgedächtnisse des Historischen Seminars der Universität Frankfurt. Sonst besitzt das keine Bibliothek. Es ist nicht einmal als Pflichtexemplar in die Hamburger Staatsbibliothek gelangt.
Landfried-Album: Griechischer Soldat auf der Akropolis von Athen. - Zum Digitalisat.
Vielleicht haben Sie Autobilder oder Tierbilder oder Fußballbilder gesammelt? Oder Sie tun das heute noch? Das geht ja. Es gibt das noch. Auch wenn es heute etwas doch recht Skurriles und Retro-Kultiges hat. Seit ihrer Erfindung im Jahr 1870 haben Sammelbilder jedenfalls über ein Jahrhundert hinweg eine nicht zu überschätzende Rolle als Medium der Werbung und der Markenbindung gehabt. Unser Vater musste mindestens 36-mal bei Shell tanken, bis wir das Welt-Album voll hatten. Ob uns das überhaupt gelungen ist und ob wir mit Spielkameraden getauscht haben, weiß ich nicht mehr.
Natürlich sammelte man im Stollwerck-Album nicht Schokolade, sondern Sehenswürdigkeiten vom Rhein. Natürlich sammelte man mit Palmin-Bildern nicht Kokosfett, sondern das Weltwissen in Motivreihen. Natürlich sammelte man im Zigarettenbilderalbum (dazu demnächst mehr!) nicht Bilder von Zigaretten, sondern Filmstars. Und natürlich war es keineswegs beliebig, welche Themen sich eine Firma für ihr Marketing auswählte, welche Motive diesen Themen zugeordnet wurden und welche Weltanschauung sich durch sie vermittelte. Nicht nur das: Denn durch das Sammeln, Tauschen, Ordnen, Kleben hatte man diese Bilder immer wieder in der Hand, vertieften sich mühelos die Ideologeme, die sie verbreiteten. Und wenn man das Album voll hatte, dann hatte man viel Zeit und Geduld investiert und hütete es jedenfalls für einige Zeit noch als einen kostbaren Schatz.
Aus süddeutschen Gauen. Ein heimatgeschichtliches Bildwerk ; den Freunden unseres Hauses gewidmet für Stunden der Besinnlichkeit / J. Ruef Sohn A.G., Importhaus, Freiburg, 1935. Sammelalbum mit 120 Bildern zu Trachten und Bräuchen, Sport, Kirche, Militär und Gewerbe im südlichen Baden, Württemberg und Bayern. Signatur: 121 E 467 R. - Zum Digitalisat.
Deshalb sind die gratis verteilten Reklamesammelbilder eine herausragende Quelle für das Bildwissen ihrer Zeit. An den Kindern der uns nachfolgenden Generationen können wir sehen, wie sich aus den Sammelbildern Allgemein- oder Spezialwissen formt, das als relevant erachtet, mit Enthusiasmus freiwillig gelernt wird und ihre Vorstellungen vermutlich von frühen Jahren an prägt. Was waren laut Shell-Album 1971 die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Europa? Die isländische Vulkaninsel Surtsey, das Atomium, Stonehenge, der Kreml, der Eiffelturm, die Seufzerbrücke in Venedig, der Escorial, die Alhambra, das Kolosseum, die Akropolis und: das Großkraftwerk von Kaprun. Nicht die Hofburg, nicht der Stephansdom, nicht der Wiener Prater: Österreich war durch sein größtes Wasserkraftwerk vertreten. Bibliotheken, die das Wissen der Welt aufbewahren, sollten auch solche Massenmedien als Quellen sammeln und bereitstellen. Leider ist das nicht so. Aber das lässt sich ja noch korrigieren.
Ruef-Album: Fastnachtsbräuche in Villingen und Elzach. - Zum Digitalisat.
Auch die BLB hat Reklamebilder nie gewürdigt. Das änderte sich, als wir 2016 die Nibelungenlied-Serie des Palmin-Herstellers Schlinck in Mannheim für unsere Kochbuch-Ausstellung erwarben. Zum Thema Nibelungenlied haben wir inzwischen noch mehr Reklamebilder-Serien gekauft. Auch Serien zu Schwarzwald, Rhein und Bodensee haben wir erworben. Wenn Sie da noch was für uns hätten …
Unser besonderer Ehrgeiz richtet sich nun darauf, die Sammelbilderalben badischer Firmen für die Forschung bereitzustellen. Wir besitzen jetzt Zigarettenbilderalben von Batschari und das Karl-May-Album wie das Münchhausen und Don Quijote-Album von Eilebrecht in Baden-Baden, außerdem Alben der Nährmittelfabrik Hildebrand in Mannheim, der Importwarenfirma Ruef in Freiburg und der Tabakfabrik Landfried in Heidelberg. Auf Weltreise mit deren Bildern sollte man „in abendlicher Mußestunde – wenn die geliebte Pfeife brennt und blaue Wölkchen im Raum schweben –“ vor allem Asien ansteuern. Mit unserer neuen Sammlung wollen wir uns wirklich auf badische Firmen beschränken. Aber da gäbe es noch so vieles andere, was uns fehlt: die Alben von Kaloderma Kosmetik, Eto Nährmittel und Hawo Kaugummi in Karlsruhe, von der Drei Glocken-Nudelfabrik in Weinheim, der Suchard-Schokoladenfabrik in Lahr, der Heida-Kaffeerösterei in Riegel, der Greulich-Waffelfabrik in Singen, der Gütermann-Nähgarnfabrik in Gutach …
Haben Sie so etwas? Und würden Sie es uns überlassen? Dann schreiben Sie mir doch! Ich freue mich darauf.
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