Zur Eröffnung der Lernwerkstatt
Maren Krähling-Pilarek 13.03.2023 15 Uhr
DOI: https://doi.org/10.58019/v72h-9n53
Haben Sie heute schon etwas gelernt? Sicher, nebenbei lernt man immer etwas. Aber wie sah Ihr letzter richtiger Aha-Moment aus? Wann merkten Sie zuletzt, dass Sie nicht nur etwas Neues erfahren, sondern einen sogenannten Threshold-Moment hatten? Einen Moment, in dem Ihnen etwas wie Schuppen von den Augen gefallen ist, in dem Sie ein Stück über sich selbst hinausgewachsen sind; einen Moment, in dem Ihnen eine Erkenntnis gleichsam einen Kick im Gehirn und einen Glücksmoment beschert hat? Solche Momente wollen wir in der Lernwerkstatt schaffen. Oder zumindest wollen wir einen Ort schaffen, an dem sie geschehen können.
Die neue Lernwerkstatt: gemeinsam.flexibel.kreativ
Bibliotheken waren stets Orte, an denen sich Studierende, Schülerinnen und Schüler, Berufstätige und alle anderen Wissbegierigen aufhalten. Eine hohe Raumqualität ist entscheidend, damit diese Menschen sich in einer Bibliothek wohlfühlen – und wiederkommen. Die Badische Landesbibliothek verfolgt schon lange das Anliegen, mit ihren Services und ihren Räumen den Lernort Bibliothek attraktiv zu gestalten und eine lernförderliche Atmosphäre zu schaffen. Der von Oswald Mathias Ungers geschaffene atmosphärische Kuppellesesaal ist seit der Eröffnung des Gebäudes im Jahr 1991 ein architektonischer Höhepunkt für Lernende in Karlsruhe. Aber auch die Arbeitsplätze in den Fensterbereichen und im Offenen Magazin sind attraktiv und begehrt. Seit 2012 ist das bis in den Abend hinein geöffnete Wissenstor ein besonders beliebter Lernort im Zentrum Karlsruhes. Die Covid-19-Pandemie und die seit ein paar Jahren notwendige, aber nicht immer geräuscharme Sanierung haben zwar für eine gewisse Unruhe gesorgt, aber das Ziel wurde nicht aus den Augen verloren.
Trotzdem haben die Jahre seit 2020 natürlich auch in der Bibliothek für Diskussionen gesorgt. Wir haben uns mit neuer Dringlichkeit gefragt, wie wir auf Digitalisierung, Krisen und neue Arbeitsmodelle reagieren können. Was liegt da näher, als einen neuen Lernraum zu schaffen – einen Ort, der Lernmomente, Begegnung und Austausch ermöglicht?
Unsere Lernwerkstatt stellt nun einen solchen neuen Lernraum dar. Der Slogan, der im Untertitel des Lernwerkstatt-Programms steht, kann als sinngebend verstanden werden: gemeinsam.flexibel.kreativ. Uns war klar, dass wir als Institution nicht allein agieren wollen, sondern gemeinsam mit anderen Bildungseinrichtungen und Kulturschaffenden in Karlsruhe. Wichtig ist uns zudem, die seit Jahren in der Teaching Library gelebte interaktive und handlungsorientierte Didaktik zu einer partizipativen Didaktik auszuweiten: Gemeinsam mit unseren Besucherinnen und Besuchern werden Inhalte erarbeitet, diskutiert und ausprobiert. Flexibel sollte unser Angebot und auch unser Mobiliar sein, außerdem wollten wir der Anforderung gerecht werden, dass Lernen heute in unterschiedlichen Formaten (digital, analog, hybrid, zeitversetzt, synchron etc.) geschieht. Und wir legen Wert darauf, dass besonders didaktische Formate eingesetzt werden, in denen etwas kreiert wird: eine Idee, ein gemeinsames Projekt, ein Ergebnis.
Aber was stellt die Lernwerkstatt jetzt eigentlich dar? Die Lernwerkstatt ist eine flexibel möblierte Lernlandschaft mit Veranstaltungsprogramm. In der Lernwerkstatt sind alle willkommen, für die Lernen und Arbeiten mit Austausch und Diskussion verbunden ist. Die Lernwerkstatt ist also kein stiller Arbeitsort.
Blick in den Seminarraum der Lernwerkstatt
Die Ausstattung der Lernwerkstatt
Der Seminarraum ist das Herz der Lernwerkstatt. Dort können Workshops als Präsenzveranstaltungen stattfinden, aber auch hybride Formate, zum Beispiel das Übertragen von Vorträgen und Diskussionen, sind komfortabel möglich. Das Mobiliar der Lernwerkstatt ist zu großen Teilen flexibel. Die Benutzerinnen und Benutzer können die Möbel selbstständig umstellen, es existiert keine Grundordnung, die jeden Morgen wiederhergestellt wird.
Eine Nutzerin setzt die kostenfrei buchbare Medientechnik für ein eigenes Projekt ein.
An drei Touch Displays können kleinere Gruppen ihre Präsentationen üben, sich gegenseitig ihren Arbeitsstand zeigen und gemeinsam arbeiten. Die Displays werden auch für Veranstaltungen, Infofilme sowie interaktive Veranstaltungsformate der Bibliothek und ihrer Kooperationspartner genutzt. Das Media Studio im Lesesaal kann kostenfrei über das Raumbuchungssystem reserviert werden. Dort stehen ein Green Screen, eine hochwertige Kamera, ein Beleuchtungssystem und vieles mehr zur Verfügung.
Eine Nutzerin bearbeitet eigene Bildaufnahmen an einem der kostenfrei buchbaren Schnittplätze.
An zwei Schnittplätzen, die sich auf der Fläche der Lernwerkstatt befinden, können eigene Video- und Bildprojekte umgesetzt werden. Wissenschaftliche bzw. berufsorientierte Projekte sind dabei besonders willkommen. Auch die Schnittplätze sind über das Raumbuchungssystem buchbar. Zusätzlich zu dieser in der Bibliothek nutzbaren Ausstattung können Nutzerinnen und Nutzer weitere Geräte für Bild-, Ton- und Videoaufnahmen nach Hause ausleihen.
Smartphones, Tablets und Laptops können in Pausenzeiten in einem Ladeschrank mit Schließfächern sicher verwahrt und gleichzeitig geladen werden.
Passend zu den Veranstaltungen wird eine wechselnde Auswahl an Literatur präsentiert, die sofort ausleihbar ist und neugierig auf die Themen des Programms macht. Passende Literatur gibt es auch zum neuen Themenschwerpunkt Design Thinking. Dabei handelt es sich um eine agile Methode und einen Denkansatz, um in einem Team Lösungen für komplexe Probleme zu finden und neue Ideen zu entwickeln. Eine Veranstaltungsreihe, höhenverstellbare Tische, verschiedene Schreibflächen sowie mehrere Kisten mit Material laden zum Kennenlernen und zur Umsetzung von Design Thinking-Prozessen ein.
Nutzende arbeiten mit den frei verwendbaren Design Thinking-Materialien.
Das Programm der Lernwerkstatt – in der Eröffnungswoche und danach
Die Lernwerkstatt ist nicht nur ein Ort, sondern auch ein Programm: Gemeinsam mit einem Netzwerk an Kooperationspartnern werden Services und Veranstaltungen rund um die Themen Video- und Bildproduktion, Zukunftskompetenzen, digitale Kompetenzen und bewegungsorientiertes Lernen angeboten. Den Auftakt für das Veranstaltungsprogramm macht die Eröffnungswoche vom 14. bis zum 18. März 2023. In diesen Tagen finden über 70 Workshops, Abendveranstaltungen, Mini-Inputs, Führungen, Mitmachaktionen und vieles mehr statt. Das Team der Teaching Library liefert zum Beispiel Inputs zu den Themen Design Thinking, Videoproduktion und zur Methode Lego® Serious Play® und bietet Rundgänge durch die Lernwerkstatt und das Media Studio an. Alle Veranstaltungen sind so aufgebaut, dass sie zum Mitmachen anregen. Von den Kooperationspartnern werden Themen wie Future Skills, Drehbuchschreiben, digitales Zeichnen für Jugendliche, Escape Rooms für Lehrkräfte, Slam Shows, Theaterarbeit für den Beruf und vieles mehr angeboten.
Auch nach der Eröffnungswoche gibt es ein breites Programm, das sich aus BLB-eigenen Veranstaltungen sowie Angeboten von Kooperationspartnern zusammensetzt. Allein bis zum Sommer 2023 finden zum Beispiel eine Inputreihe zum Thema Design Thinking, mehrere Videoworkshops, Workshops mit der Methode Lego® Serious Play® sowie die wöchentliche Reihe „Pausenwissen“ statt. Zudem wird es ein Bewegungsprogramm geben, um mehr Schwung in die sitzenden Besucherinnen und Besucher zu bringen. Dieses wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit von Katleen Bock in einer Kooperation mit dem Institut für Sport und Sportwissenschaft des KIT erarbeitet. Das House of Competence des KIT bietet eine monatliche Reihe „Impulsworkshops Zukunftsperspektiven“ an, die Volkshochschule vermittelt in Schnupperkursen Profitricks in Excel und Verhandlungstechniken, ein monatlicher Schreibtreff der Gruppe KITeratur bringt Kreatives zu Papier, die Independent Days|Internationale Filmfestspiele Karlsruhe ermöglichen die Begegnung mit Gerd Nefzer, einem Oscar-Preisträger, in unserem Vortragssaal und veranstalten einen Workshop mit Filmschaffenden in der Lernwerkstatt. Die Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Baden e.V. lässt KI mit Rhetorik interagieren, die Arbeitsgruppe NextEducation der Dualen Hochschule Baden-Württemberg hilft uns, unsere Future Skills weiterzuentwickeln, die Spoken Word Artists Moritz Konrad und Natalie Friedrich bieten Einstiege in ihre Kunst und humorvolles Präsentieren. Mit dem Lehr-Lern-Labor Informatik der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe können Eltern und Kinder erste Schritte im Programmieren lernen. Das Netzwerk nimmt Schwung auf – und es wird noch einiges hinzukommen!
Nutzerinnen und Nutzer arbeiten auf der flexibel einsetzbaren Tribüne.
Einblick in die Lernwerkstatt mit flexiblem Mobiliar und einer der Sitzkojen.
Aber warum das alles? Warum besinnt sich unsere Bibliothek nicht auf ihren vermeintlich herkömmlichen Zweck, auf das Zugänglichmachen von Medien? Weil wir schon lange viel mehr als das sind – und sein wollen. Ja, Wissen kann man sich durch Lesen aneignen, und ja, genau dafür sind unsere Millionen von Medien da. Aber wenn dieses Wissen im Alltag ankommt, wird es in neue Texte gepackt, mittels Methoden in Projekte umgesetzt, in anderen Formaten verwertet. Und für all das braucht es einen Raum, in dem diejenigen, die etwas können, ihre Kompetenzen weitergeben – und dabei selbst auch etwas mitnehmen. Denn genau darum geht es: gemeinsam voneinander zu lernen.
Wir sind überzeugt: Bibliotheken sind genau der richtige Ort dafür. Denn wo sonst kommen so viele unterschiedliche Menschen in einem nicht kommerziellen, frei zugänglichen Raum zusammen? Menschen, die sich sonst nie begegnet wären? Die Lernwerkstatt macht’s möglich: gemeinsam.flexibel.kreativ.
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