Zwischen Emanzipation und Sexualisierung – Mode in den 1960er und 1970er Jahren
Wanda Metzger (Gastautorin) 21.03.2023 11.45 Uhr
DOI: https://doi.org/10.58019/92rf-nh19
Jeden Tag entscheiden wir, was wir heute tragen, wie wir uns präsentieren und was wir mit unserer Kleidung ausdrücken wollen. Sich vor den Blicken anderer zu schützen oder eben diese auf sich zu ziehen, sich dem Anlass entsprechend zu kleiden oder durch den Bruch von Erwartungen zu rebellieren – jeden Tag stehen wir vor unserem Kleiderschrank und somit auch vor zahlreichen Möglichkeiten.
Durch ihre Alltäglichkeit und Omnipräsenz hat Mode einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf gesellschaftliche und soziale Entwicklungen. Die wechselwirkende Beeinflussung von Mode und gesellschaftlichem Wandel lässt sich beispielhaft an der Beziehung zwischen dem Minirock und der „sexuellen Revolution“ der 1960er und 1970er Jahre beschreiben. Diese trieb einerseits die Emanzipation der Frau voran und verstärkte andererseits auch die Sexualisierung des weiblichen Körpers.
Titelbild der burda Moden-Ausgabe vom Juni 1961
Durch die Emanzipationsbewegung und die Liberalisierung der Sexualkultur in den 1960er und 1970er Jahren wurde die Mode der 1950er Jahre in Frage gestellt, die die Weiblichkeit stereotyp betonte. Petticoats, weit ausgestellte Röcke, die bis zur Wade reichen sollten, enge Gürtel um die Taille und durch Korsagen betonte Brüste bestimmten die Frauenmode dieser Zeit. Frauen hatten jederzeit einwandfrei geschminkt und frisiert zu sein, um Eleganz und Gewissenhaftigkeit auszustrahlen. Auf den Titelbildern zu Beginn der 1960er Jahre ist der Einfluss der Mode der 1950er deutlich erkennbar.
Titelbild der burda Moden-Ausgabe vom Februar 1967
In den 1960er Jahren sehnte man sich nach einer Mode, die den Trägerinnen Bewegungsfreiheit und Bequemlichkeit und auf diese Weise auch ein neues Körpergefühl versprach. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre gewannen die Hose und der Hosenanzug an Beliebtheit, die eben dieses Körpergefühl garantierten. Ein weiteres Beispiel sind die Designs von Mary Quant, die auch als die Erfinderin des Minirocks gilt, der mit seinem kurzen und geraden Schnitt oft stellvertretend für die Mode der 1960er Jahre steht.
Titelbild der burda Moden-Ausgabe vom Mai 1970
Die Verbindung von einem Gefühl der Selbstbestimmung und von Selbstbewusstsein definierte das Tragen des Minirocks. Er versprach durch die Liberalisierung der Geschlechternormen ein völlig neues Lebensgefühl, war als Populärmode für jede Person verfügbar und griff den Wunsch nach Dynamik und Umbruch auf. Denn „Kleidung überzeugt, wenn sie Zeitgeist und Stimmung wiedergibt“, so bilanziert Ingrid Loschek in ihrem Buch Wann ist Mode? Strukturen, Strategien und Innovationen (2007). Trotz der Erfolge der Emanzipation in den 1960er Jahren erschwert der sexualisierte Blick auf den weiblichen Körper die Respektierung und Gleichstellung der Frau bis heute. Die klare Zuschreibung von Kleidungsstücken als „emanzipiert“ oder „sexualisierend“ erweist sich fortwährend als schwierig.
Für meine Bachelorarbeit mit dem Thema „Mode und Emanzipation in den 1960er und 1970er Jahren in der Bundesrepublik. Analyse zur Darstellung der Frau im Minirock auf den Titelbildern der Zeitschrift burda Moden von 1960 bis 1979“ habe ich in der Badischen Landesbibliothek alle Ausgaben der bekannten Modezeitschrift burda Moden (heute: Burda Style) untersucht. Hier fokussierte ich mich besonders darauf, wie oft und auf welche Art und Weise Frauen von 1960 bis 1979 im Minirock auf dem Cover der Zeitschrift präsentiert wurden. Dabei analysierte ich das Zusammenspiel von Mode, Emanzipation und Sexualisierung und ordnete die Zeitschriftencover ein. Die Frauenzeitschrift burda Moden erscheint einmal monatlich und richtet sich an Frauen mittleren Alters. Die in der Zeitschrift enthaltenen Schnittmuster führten als Alleinstellungsmerkmal zum Erfolg und zur Popularität der Zeitschrift und unterscheidet sie von anderen. Vor allem nach den Kriegsjahren schien die Gründerin und Herausgeberin von burda Moden Aenne Burda genau den Nerv der Zeit zu treffen, da sie Frauen dem Wunsch, sich schön zu kleiden, wieder etwas näherbrachte. Als eine von ihrem Mann unabhängige Frau in der Verlagsbranche war Aenne Burda eine emanzipierte Unternehmerin und half anderen Frauen durch die Zeitschrift und Schnittmuster sich selbst zu emanzipieren. Der Trend des Minirocks wurde auch von der burda Moden aufgenommen. Die Analyse der Titelbilder ergab jedoch, dass hier keine sexualisierende Präsentation des Minirocks zu erkennen ist.
Titelbild der burda Moden-Ausgabe vom Dezember 1969
Ein Beispiel für die Darstellung des Minirocks auf einem Titelbild ist die Ausgabe der burda Moden vom Dezember 1969. Der Rock des Models endet zwar weit über dem Knie, jedoch ist nur ein kleiner Teil der nackten Beine zu sehen. Die ausgestellte Rockform beginnt ab der unteren Hälfte der Hüfte und kreiert so die für die 1960er Jahre typischen geraden Formen, die im starken Kontrast zu der Betonung der Taille und der Hervorhebung der weiblichen Silhouette der 1950er Jahre stehen. Durch die Pose vermittelt das Model eine Mischung aus Verspieltheit und Selbstvertrauen. Die Arme der Frau sind bedeckt und auch der Ausschnitt ist nicht tief. Die Kürze des Rocks und die Nacktheit der Beine werden weder in den Vordergrund gerückt noch sexuell aufgeladen. Vielmehr entsteht der Eindruck einer selbstbewussten, lässigen Frau, die sich in ihrem Outfit wohl fühlt.
Titelbild der burda Moden-Ausgabe vom Juli 1973
Auf den Titelbildern in den 1970er Jahren ist eine neue, bisher nicht dagewesene Freizügigkeit zu erkennen. Das Zeigen von nackten Schultern, dem Dekolleté und der teilweise tiefer werdende Rückenausschnitt prägen die Outfits der Frauen auf den Titelbildern. Der Minirock ist jedoch nicht mehr auf den Titelblättern der 1970er Jahre zu finden. Dies ist damit zu begründen, dass das Kleidungsstück nicht mehr im Trend war und es zu einer Normalisierung des Minirocks kam.
Dass die Frauen auf den Titelbildern der burda Moden nicht sexualisiert, sondern eher emanzipiert und selbstbewusst abgebildet wurden, ist wahrscheinlich damit zu erklären, dass sich die Zeitschrift hauptsächlich an Frauen richtete. Durch die subtile Darstellung von Nacktheit und Kleidungsstücken wie dem Minirock blieb die burda Moden ihren Werten der Eleganz und Alltagstauglichkeit treu und wollte Frauen ein positives Körpergefühl vermitteln. Der Verlag beschreibt auf seiner Webseite die Rolle der eigenen Zeitschrift folgendermaßen: „In seiner Historie hat Burda schon immer Tradition mit Erneuerung und Bodenständigkeit mit Weltläufigkeit verbunden.“ Die Quellenuntersuchung zeigt also die Zeitschrift burda Moden als Beispiel für das Ausklammern der Sexualisierung und für den Fokus auf Mode und Emanzipation.
Alle Ausgaben der burda Moden in der Badischen Landesbibliothek
Aufgrund des Pflichtexemplargesetzes des Landes Baden-Württemberg haben die beiden Landesbibliotheken den Auftrag, die Medienproduktion in Baden-Württemberg vollständig zu sammeln und bereitzustellen. Da die Zeitschrift burda Moden vom Medienkonzern Hubert Burda Media in Offenburg verlegt wird, sammelt die Badische Landesbibliothek bis heute nicht nur alle Ausgaben der burda Moden, sondern Veröffentlichungen aller Art, die in Baden-Württemberg erscheinen. Damit werden diese Medien als Kulturgut und Forschungsgegenstand in öffentlichem Besitz aufbewahrt und gesichert.
An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich nochmals bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Badischen Landesbibliothek für ihre Zeit und Unterstützung zu bedanken!
Ausgewählte Literatur:
- Claudia C. Ebner: Kleidung verändert. Mode im Kreislauf der Kultur. Bielefeld 2007.
- Jens Gmeiner: Mythos Minirock. Eine Modeikone der 1960er Jahre zwischen Emanzipation, Jugend und Massenkonsum, in: Robert Lorenz / Frank Walter (Hrsg.): 1964 – das Jahr, mit dem „68“ begann. Bielefeld 2014, S. 97-110.
- Gertrud Lehnert: Mode als Spiel. Zur Performativität von Mode und Geschlecht, in: Thomas Alkemeyer et al. (Hrsg.): Aufs Spiel gesetzte Körper. Aufführungen des Sozialen in Sport und populärer Kultur. Konstanz 2003, S. 231-226.
- Ingrid Loschek: Wann ist Mode? Strukturen, Strategien und Innovationen. Berlin 2007.
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Minirock
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1960–1980
Badische Landesbibliothek