Karten idealer Städte
Ideen von Vitruv, Leon Battista Alberti und Athanasius Kircher
Eine Idealstadt umschreibt eine stadtplanerische Vorstellung, bei der von Anfang an mustergültige Aspekte der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Ordnung einer Gesellschaft berücksichtigt werden. Auch sozialutopische und besondere ästhetische Anforderungen können den Entwurf bestimmen. Nur wenige Idealstädte wurden aber tatsächlich auch realisiert.
Die ältesten Ideen zu Idealstädten gehen auf die griechischen Gelehrten Platon und Aristoteles zurück und zielten vor allem auf die politische Ordnung ab. Erste Planungen von Idealstädten nahm der römische Architekt und Architekturtheoretiker Vitruv bereits im 1. Jahrhundert v. Chr. in seinem Werk De architectura libri decem vor. Seine zehn Bücher behandeln die historischen und technischen Grundlagen der Architektur, den Bau von Gebäuden sowie den Städtebau. In der Frührenaissance erlebten seine Ideen ein Wiederaufleben und wurden von dem Humanisten Leon Battista Alberti (1404–1472) in dessen Traktat De re aedificatoria libri decem weiterverarbeitet.
Mit der zunehmenden Urbanisierung Italiens wuchs das Interesse, Städte und ihre Gesellschaften theoretisch zu beschreiben. Die humanistische Stadtkonzeption beruhte auf rationalen und mathematischen Prinzipien, die in Harmonie mit der kosmischen Ordnung stehen sollten. Die Ideen der Renaissance zu Ordnung, Ausgewogenheit und Schönheit waren im 15. und 16. Jahrhundert Vorbild für viele Stadtmodelle. Zu den wenigen gebauten Idealstädten gehören z.B. Palmanova und Sabbioneta in Italien.
Die Anlagen von Rastatt und Karlsruhe im 18. Jahrhundert
Das wachsende Repräsentationsbedürfnis der Markgrafen von Baden ließ in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zwei eindrucksvolle neue Planstädte entstehen: Karlsruhe und Rastatt. In ihrer Konzeption wurden beide Residenzstädte von den damals zeitgemäßen Strömungen des französischen und italienischen Städtebaus beeinflusst.
Zunächst widmete sich Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden (1655–1707) nach der im Spanischen Erbfolgekrieg eingetretenen Zerstörung des Neuen Schlosses in Baden-Baden der Errichtung einer neuen Residenz. Er verlegte diese von Baden-Baden nach Rastatt. Ab 1700 entstand hier unter Leitung des italienischen Hofbaumeisters Domenico Egidio Rossi (1659–1715) eine imposante Anlage, die sich am absolutistischen Ideal von Schloss Versailles orientierte.
Markgraf Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach (1679–1738) legte am 17. Juni 1715 nur wenige Kilometer von seiner alten Residenz in Durlach entfernt den Grundstein für ein neues Schloss und gründete damit die Stadt Karlsruhe. Auch die Anlage des Karlsruher Schlosses wurde nach französischem Vorbild realisiert: Vom zentralen Schlossturm breiten sich 32 Alleen wie Sonnenstrahlen fächerförmig in alle Richtungen aus. Diese strahlenförmige Anlage wird als städtebauliche Verkörperung des Absolutismus gesehen.
Lit.: Vgl. Ausst.-Kat. Fakten oder Fantasie?: Karten erzählen Geschichten! / Michael Recke, Michael Remmers, Corinna Roeder, Oldenburg 2017.
Stadtansichten bei Marcus Vitruvius Pollio und Vincenzo Scamozzi
Marcus Vitruvius Pollio: De architectvra libri decem
Frankfurt am Main, 1543
Mit der zunehmenden Urbanisierung Italiens während des 14. und 15. Jahrhunderts war ein neues Interesse an Architektur und der Beschreibung der Stadt verbunden – sowohl theoretisch als auch systematisch.
Dies führte zur Wiederentdeckung des antiken Architekturtraktats De architectura libri decem von Vitruv. Die zehn Bücher behandeln die historischen, ästhetischen und technischen Grundlagen von Architektur und thematisieren den Bau von Tempeln und Wohnhäusern sowie die Stadtplanung. Bereits 1486 erschien in Rom eine erste gedruckte Ausgabe dieses wichtigen Werkes in lateinischer Sprache.
Badische Landesbibliothek, 79 A 5361 RH
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Ansicht der Werkzeuge eines Architekten
In: Marcus Vitruvius Pollio: Des allernamhafftigsten vnnd hocherfahrnesten, römischen Architecti, vnnd kunstreichen Werck oder Bawmeisters Marci Vitruvij Pollionis, zehen Bücher von der Architectur vnd künstlichem Bawen
Basel, 1614
Seit 1486 fand Vitruvs zehnbändiges Architekturtraktat weite Verbreitung innerhalb von Europa. Übersetzungen in die jeweiligen Landessprachen – so etwa ins Italienische 1521, ins Französische 1542 und ins Deutsche 1548 – waren für die Bekanntmachung entscheidend, da viele Architekten erst jetzt das Werk studieren konnten. Die hier gezeigte deutsche Ausgabe bearbeitete und übersetzte der vermutlich aus Straßburg stammende Arzt Walter Hermann Ryff.
Badische Landesbibliothek, 42 B 275 R
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Plan der Idealstadt Palmanova
In: Vincenzo Scamozzi: L’idea della architettura universale
Venedig, 1615
Die im 16. Jahrhundert angelegte Planstadt Palmanova liegt im äußersten Nordosten Italiens in der Provinz Udine. Palmanova wurde als ideale Stadt mit radialem Straßennetz am Reißbrett konstruiert und als Festungsstadt der Republik Venedig zum Schutz vor den Türken angelegt. Die Stadtanlage ist auch heute noch sehr gut erhalten, und insbesondere aus der Luft kann man die exakte Symmetrie erkennen.
Das „neue Palma“ wurde 1593 von Vincent Scamozzi in sternförmigem Grundriss mit neun Festungsbollwerken und einer Stadtmauer konzipiert und ist ein typisches Beispiel für eine Idealstadt der Renaissance.
Landesbibliothek Oldenburg, TE IV a 140
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Stadtansichten bei Athanasius Kircher
Ansicht der Stadt Babylon
In: Athanasius Kircher: Turris Babel
Amsterdam, 1679
In seinem Buch über den Turm zu Babel stellt Athanasius Kircher (1602–1680) die Stadt Babylon als Idealstadt mit einem Schachbrettmuster, also in einem Raster aus parallelen und rechtwinkligen Straßen, dar. Schon Herodot und Kritias berichteten, dass Babylon zur Zeit Nebukadnezars quadratisch angelegt war, parallele Straßen besaß und von einer hohen Mauer aus Lehm umgeben war.
Neben dem Kreis ist das Schachbrett das vorherrschende Muster einer Idealstadt und symbolisiert das Prinzip der Ordnung. Es prägte vor allem Stadtanlagen im griechisch-römischen Kulturraum, hatte aber schon Vorgänger im Vorderen Orient.
Landesbibliothek Oldenburg, GE III 1 B A 7
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Stadtansichten von Karlsruhe
Matthäus Seutter: Accurater Prospect der Hoch-Fürstl. Margraff Baaden Durlachischen neu erbauten verwunderungs wündige[n] Residenz Stadt Carlsruhe
Augsburg, um 1730
Die Stadt Karlsruhe ist eine barocke Planstadt. Die Ansicht zeigt das Karlsruher Schloss, das im Jahr 1715 nach dem französischen Vorbild von Schloss Versailles konzipiert wurde und im Zentrum der Stadt liegt. Insgesamt 32 Alleen breiten sich wie Sonnenstrahlen vom zentralen Schlossturm in die angrenzende Umgebung und den Hardtwald aus, weshalb die strahlenförmige Anlage auch als städtebauliche Verkörperung des Absolutismus angesehen wird.
1717 legte der französische Gärtner Berceon einen terrassenförmigen Lustgarten an, der zur Stadt hin ausgerichtet war.
Badische Landesbibliothek, Go 133
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Christian Thran: Ansicht der Residenz Karlsruhe
Karlsruhe, 1739
Der Karlsruher Hofgärtner Christian Thran (1701–1778) stellte diese Ansicht der Karlsruher Residenz von Süden bereits im Oktober 1738 fertig, doch nahm die Anfertigung der Druckplatte durch den Kupferstecher Johann Matthias Steidlin weitere Zeit in Anspruch. Tatsächlich kam der Kupferstich mit dem Portraitmedaillon von Markgraf Karl Wilhelm erst 1739 heraus. Auf diesem Blatt fügte er bereits das jugendliche Porträt des neuen Markgrafen Karl Friedrich ein.
Badische Landesbibliothek, 115 B 6026 R
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Johann Baptist Haas: Plan oder Grundriss von der Hochfürstl. Marggraefl. Badischen Residenzstadt Carlsruhe
Staufen i. Br., um 1780
Dieser Plan der Karlsruher Residenz präsentiert die noch junge Fächerstadt aus der Vogelperspektive.
Bis heute ist die Stadtanlage in dieser Form erhalten: Das Schloss liegt im Zentrum eines Zirkels, von dem aus strahlenförmig Straßen in die Stadt nach Süden und Alleen durch den Hardtwald nach Norden verlaufen. Zu erkennen sind auf der Ansicht die am Ende des 18. Jahrhundert bereits vorhandenen Stadtteile von Karlsruhe sowie einzelne Straßennamen. Die ganz auf den Fürsten ausgerichtete Planung sah zunächst weder Rathaus noch Marktplatz vor.
Badische Landesbibliothek, Go 143
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