Clara Schumann in Karlsruhe
Wolfgang Seibold (Gastautor) 24.10.2023 10.15 Uhr
DOI: https://doi.org/10.58019/6ted-e173
Am 1. Februar 1839 kam die berühmte Pianistin Clara Schumann (1819–1896) auf ihrer zweiten Parisreise zum ersten Mal nach Karlsruhe; als Quartier bezog sie den Englischen Hof am Marktplatz. Tags darauf spielte sie im Schloss vor Großherzogin Sophie von Baden (1801–1865). Anfang der 1850er Jahre lernte sie Johann Wenzel Kalliwoda und seinen Sohn Wilhelm kennen, als sie am 23. Juli 1851 mit ihrem Mann, dem Pianisten und Komponisten Robert Schumann, auf der Durchreise in Baden-Baden Station machte. Dann folgen zeitlich die Jahre, aus denen ihre acht Briefe im Konvolut in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe stammen.
Portrait Clara Schumann, Lithographie nach dem Foto von C. von Jagemann Wien 1866 von W. J. Morgan & Co. Cleveland. Das Portrait befindet sich im Besitz des Verfassers dieses Beitrags.
Clara Schumann schrieb drei Monate nach dem Tod ihres Gatten Robert Schumann an Wilhelm Kalliwoda, der für die Konzertplanung im Großherzoglichen Theater Karlsruhe zuständig war. Ihr Brief vom 24. Oktober 1856 bereitete ihren Auftritt am 1. November vor:
„Geehrter Herr, erst heute Abend ist mir Herrn Eduard Devrient’s Schreiben zugekommen, woraus ich ersah, daß Sie Sich freundlichst betreffs einer Soiree für mich bemühen wollen. [...] Hiebei sende ich Ihnen das Programm – Sie ersehen daraus, daß ich nur zweier Gesangsnummern bedarf. Wollen Sie mir nun gütigst mittheilen, ob ich Ihnen Billette schicken soll, wie Viele, ob eine oder zwei Sorten, und ob ich ein schönes Klavier in Karlsruhe finden würde? ist dies nicht der Fall, so bringe ich Eines, welches ich von Düsseldorf hieher kommen ließ, mit. Wegen der Gesangsnummern meinte ich Herrn Devrient würde es keine Schwierigkeiten machen.“ (Badische Landesbibliothek K 3172, 12. Hervorhebung im Original)
Brief von Clara Schumann an Wilhelm Kalliwoda. Frankfurt/M., 24. Oktober 1856. Badische Landesbibliothek K 3172, 12. – zum Digitalisat
Der erwähnte Eduard Devrient (1801–1877) war Sänger (Bariton), Schriftsteller und Theaterdirektor; er wirkte von 1852 bis 1870 als Intendant des Großherzoglichen Hoftheaters in Karlsruhe. Interessant an diesem Brief ist, dass sich die Konzertgeberin damals nicht nur um das Instrument, sondern auch um die Eintrittskarten kümmern musste.
Dem nächsten Karlsruher Konzert von Clara Schumann am 15. Januar 1858 ging natürlich wieder ein Brief an Wilhelm Kalliwoda voraus. Am 6. Januar 1858 schreibt sie u. a.: „Verehrtester Herr, im Begriff abzureisen erfahre ich, daß mein Konzert in Stuttgard Sonnabend d. 16 statt findet, ich also d. 14, 15, disponibel bin, falls es sich bei Ihnen noch arrangiren sollte.“ – Als PS heißt es: „Ich könnte den 13ten Abends in Karlsruh [sic] eintreffen.“ (Badische Landesbibliothek K 3172, 13. Hervorhebung im Original)
Brief von Clara Schumann an Wilhelm Kalliwoda. München, 6. Januar 1858. Badische Landesbibliothek K 3172, 13. – zum Digitalisat
Wie es weitergehen sollte, teilte Clara Schumann am 11. Januar 1858 Kalliwoda aus Nürnberg mit:
„Geehrtester Herr Kalliwoda, so eben empfange ich Ihre freundlichen Zeilen und beeile mich Ihnen augenblicklich zu antworten. Der 15te (Freitag Abend) ist der einzige, wo es möglich ist, daß ich komme, [...]. [Ich] komme Abends 8 Uhr nach Stuttgart und Freitag Morgen nach Karlsruhe. Ich muß nun wieder wie im vorigen Jahr alles Ihnen aufbürden, was mir wahrhaft leid thut. [...] Ich schicke Ihnen aber Programm und Billets [sic], damit es an mir nicht fehle, soll das Concert bei’m 15ten bleiben.“ (Badische Landesbibliothek K 3172, 14)
Brief von Clara Schumann an Wilhelm Kalliwoda. Nürnberg, 11. Januar 1858, S. 1. Badische Landesbibliothek K 3172, 14. – zum Digitalisat
Und nun folgt eine Besonderheit: Zu dem Programmpunkt Carnaval, Schumanns Opus 9, schreibt sie:
„Bei dem ‚Carnaval‘ wollen Sie gefälligst dem Drucker beifolgenden Wiener Zeddel geben, damit er Alles genau so druckt, und auch auf der Rückseite die Erklärung, wie auf beifolgendem Programme. Ich bitte aber den Wiener Zeddel mir aufbewahren zu wollen. Sie lesen wohl die Correctur, damit keine Fehler hinein kommen. Billette folgen 200 St: zum Verkauf, 30 St: zu üblichen Freikarten. [...] Noch habe ich die Bitte mir zum Freitag Morgen ein nicht zu großes (ich habe lieber kleines warm) Zimmer mit einem Bett zu bestellen, und daß es geheitzt [sic] ist. [...] Wäre es wohl zu machen, daß ich das Clavier am Vormittag eine Stunde im Saale probire? das ist mir durchaus nöthig. Es geht doch nicht schwer? das wäre sehr schlimm! von Wem ist es? Mit welchem Zuge ich komme kann ich noch nicht bestimmen, da ich die Züge nicht kenne; mit dem frühesten wohl keinenfalls, aber mit dem zweiten, vielleicht um 9 oder 10 Uhr.“ (Badische Landesbibliothek K 3172, 14. Hervorhebungen im Original)
Brief von Clara Schumann an Wilhelm Kalliwoda. Nürnberg, 11. Januar 1858, S. 3. Badische Landesbibliothek K 3172, 14. – zum Digitalisat
Auf der Rückseite des Programms wurde tatsächlich ein Text abgedruckt: „Zum besseren Verständnis des Carnevals von Robert Schumann“ (CSPr Nr. 466).
Im darauffolgenden Jahr weilte Clara Schumann im Juli/August sechs Wochen zur Kur in Wildbad, um das Rheuma in ihren Armen zu bekämpfen, unter dem sie schon seit 1857 stark litt. Von Wildbad schrieb sie am 4. August 1859 nun einen gar nicht geschäftlichen Brief an Kalliwoda:
„Geehrter Herr Kalliwoda, ich denke besser spät, als gar nicht; so nehmen Sie denn die so lange versprochene Fantasie Op. 17 [offensichtlich hatte sie Kalliwoda, der ja auch Pianist war, beim letzten Karlsruhe-Konzert die Noten versprochen] auch heute noch freundlich an, und glauben Sie nicht etwa, ich hätte nie daran gedacht, ich war aber Jahr aus Jahr ein auf Reisen, und so kam’s. Ich hoffe Ihnen geht es gut? auch Ihrer lieben Familie? [Wilhelm Kalliwoda war nicht verheiratet, aber seine Eltern und Geschwister wohnten in Karlsruhe] grüßen Sie Dieselbe, auch Devrients herzlich. Ich bin hier zur Cur, und bleibe wahrscheinlich den ganzen Monat. Wie schön, führte Sie Ihr Weg einmal hier vorbei! – Sollte es der Fall sein, so vergessen Sie nicht mich zu besuchen.“ (Badische Landesbibliothek K 3172, 15)
Brief von Clara Schumann an Wilhelm Kalliwoda. Wildbad, 4. August 1859. Badische Landesbibliothek K 3172, 15. – zum Digitalisat
Der fünfte und letzte Brief Clara Schumanns an Kalliwoda diente wieder einer Konzertvorbereitung. Doch das in diesem Brief vom 24. Februar 1862 avisierte Konzert am 17. März kam nicht zustande, da sie Ende März und Anfang April sechs Konzerte in Paris gab. Ihr nächstes Karlsruhe-Konzert war einige Monate später, am 15. November 1862 (CSPr Nr. 630); dazu gibt es in der BLB keinen Briefwechsel, ebenso wenig zu ihren Auftritten am 2. November 1864 (CSPr Nr. 712), am 6. November 1865 (CSPr Nr. 759) und am 26. Oktober 1866 (CSPr Nr. 792). Außerdem spielte sie am 3. Mai 1866 nachmittags im Atelier des Malers Karl Friedrich Lessing.
Bekanntlich hatte sich Clara Schumann im Jahr 1863 in Baden-Baden ein Häuschen gekauft, um dort in den Sommermonaten mit ihren Kindern zusammenleben zu können. Von dort aus besuchte sie am 3. Januar 1868 die Aufführung der Oper Genoveva ihres Gatten Robert Schumann im Hoftheater; die Leitung hatte Hermann Levi, der am 1. August 1864 sein Amt als „Badisch Grossherzoglicher Musikdirektor“ angetreten hatte. Ebenfalls war sie am 12. Mai 1869 bei der Aufführung der Komposition Ein deutsches Requiem ihres guten Freundes Johannes Brahms präsent. Und schließlich konzertierte sie am 6. Oktober 1869 (CSPr Nr. 932) wieder in Karlsruhe, wobei bei diesem Konzert bemerkenswert ist, dass aus dem op. 52 von Johannes Brahms, den Liebeslieder-Walzer, zehn Nummern uraufgeführt wurden; sie spielte bei diesem Programmpunkt zusammen mit Hermann Levi den vierhändigen Klavierpart.
Den nächsten Brief im Konvolut schrieb sie just aus ihrem Sommerhaus in „Baden d. 4 t July 1871“ (Badische Landesbibliothek K 2803; Hervorhebung im Original). Beim Inhalt geht es um eines ihrer Kinder, nämlich um den 1845 geborenen Sohn Ferdinand, der nach seiner Soldatenzeit im deutsch-französischen Krieg 1870/71 wieder seine Ausbildung zum Bankkaufmann beim Bankhaus H. C. Plaut in Berlin fortsetzte. Aus dem gleichen Jahr ist der Brief vom 10. Dezember an einen „unbekannten Herr“. Mittlerweile konnte dieser „Herr“ aus dem Briefwechsel Clara Schumanns mit Hermann Levi als Wilhelm Carl Schmitt identifiziert werden. Bei Schmitt handelt es um den Inhaber der Universitätsbuchhandlung in Heidelberg, der sozusagen nebenher auch den Kartenverkauf der Heidelberger Konzerte übernommen hatte. Clara Schumann schrieb ihm von den Schwierigkeiten ihres nächsten Auftretens in Heidelberg:
„Leider muß ich Ihnen nun mittheilen, daß Donnerstag das Concert keinesfalls stattfinden könnte, indem ich das Missgeschick hatte auf der Reise hierher mir einen heftigen Rheumatismus im Arme zuzuziehen; wir mussten in Folge dessen unser Concert hier auf Donnerstag als den einzig möglichen Tag in dieser Woche setzen, vorausgesetzt natürlich, daß mein Arm bis dahin hergestellt. Meine Anfrage an Sie ist nun die: ist es möglich unser Concert auf Sonnabend zu verschieben? Sollte dies nicht angehen, so müssten wir das Concert ganz aufgeben, da Frau Joachim in nächster Woche keinen freien Tag hat.“ (Badische Landesbibliothek K 2803)
Brief von Clara Schumann an Carl Schmitt. Frankfurt/M., 10. Dezember 1871, S. 2. Badische Landesbibliothek K 2803. – zum Digitalisat
Und tatsächlich: das Heidelberger Konzert platzte. – Ein wichtiges Ereignis im Karlsruher Konzertleben ließ Clara Schumann sich nicht entgehen: Sie spielte beim Abschiedskonzert von Hermann Levi am 5. Juni 1872 u. a. das Klavierkonzert ihres Gatten. Für dieses Konzert gibt es in der CSPr keinen Programmzettel. Sieben Jahre später konzertierte sie zum letzten Mal in Karlsruhe: Am 13. Dezember 1879 (CSPr Nr. 1188) spielte sie unter der Leitung des neuen Hofkapellmeisters Otto Dessoff das dritte Klavierkonzert Beethovens.
Der letzte Brief im Konvolut der BLB stammt aus dem Jahr 1885, als Clara Schumann mit der Herausgabe der Jugendbriefe ihres Gatten beschäftigt war. Er ging an den Karlsruher Philologen und Lehrer Gustav Wendt am humanistischen Großherzoglichen Gymnasium, heute Bismarckgymnasium. Gustav Wendt half Clara Schumann bei der Entzifferung der Schumannschen Handschrift, namentlich bei lateinischen Zitaten. Die erbetene Mithilfe bezieht sich auf den Brief Robert Schumanns, den er am 17. März 1828 aus Heidelberg an seinen Jugendfreund Emil Flechsig sandte. Übrigens war einer der Enkel von Wendt der berühmte Dirigent Wilhelm Furtwängler; und die Schwester von Wendt, Mathilde, war eine ausgezeichnete Pianistin und mit Clara Schumann befreundet. Aus dem Brief geht die Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit hervor, mit der Clara Schumann an die Aufgabe als Herausgeberin heranging, deshalb sei seine Lektüre (Badische Landesbibliothek K 2802) besonders empfohlen.
Brief von Clara Schumann an Gustav Wendt. Obersalzberg, 6. September 1885, S. 2. Badische Landesbibliothek K 2802. – zum Digitalisat
CSPr = Programmsammlung Clara Schumanns, Zwickau, Robert-Schumann-Haus (D-Zsch), Archiv-Nr. 10463-A4/C3, unveröffentlicht
Weiterführende Literatur
- Ute Reimann und Joachim Draheim: Clara und Robert Schumann in Baden-Baden und Carlsruhe. Ausstellungskatalog Baden-Baden 1994.
- Joachim Draheim: Karlsruher Musikgeschichte, Karlsruhe 2004.
- Joachim Draheim: „Das ist der liebenswürdigste Hof, den ich je gesehen“ – Clara Schumann in Karlsruhe. In: Musik in Baden-Württemberg. Jahrbuch 2019/20. Stuttgart 2020.
- Joachim Draheim und Claus-Dieter Hanauer: Zeittafel zur Ausstellung Johannes Brahms und seine Freunde in Karlsruhe. Maschinenschriftlich. Karlsruhe 2023.
Weitere Literatur ist in der Badischen Landesbibliothek zu finden – zum Katalog
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