Nibelungen – Mord und Totschlag
Die Nibelungensage war ein sehr beliebter Stoff der Sammelbild-Ära, jede namhafte Firma hatte sie im Programm. Die Badische Landesbibliothek als Besitzerin der ältesten und bedeutendsten Originalhandschrift des Nibelungenliedes aus dem 13. Jahrhundert (Cod. Donaueschingen 63) mit UNESCO-Welterbe-Status hat sich um eine weitgehend vollständige Sammlung dieser Bilder bemüht und kann eine große Bandbreite sehr unterschiedlicher Varianten zeigen.
Dabei war die Firma Liebig nicht einmal die erste, als sie 1911 den Betrug an Kriemhild, den Mord an Siegfried und das Blutbad am Hof König Etzels ins Genre Sammelbild transportierte. Die Firma Hauswaldt in Magdeburg warb schon früher mit der Nibelungensage für ihren Zichorienkaffee. Stollwerck in Köln und Hartwig & Vogel in Dresden vermarkteten mit dem Heldenepos ihre Schokolade. Gleich vier Serien mit je sechs Palmin-Bildern widmete die Mannheimer Firma Schlinck den Nibelungen. Die ausdrucksstarken Entwürfe stammten von dem Baden-Badener Grafiker Ivo Puhonny und wurden 1915 in der Kunstdruckerei des Karlsruher Künstlerbundes hergestellt, der Hauptauftragnehmerin der Mannheimer Firma für deren Serienbildproduktion.
Besonderes Interesse an der Nibelungensage weckte ab 1924 der zweiteilige Stummfilm Die Nibelungen unter der Regie von Fritz Lang. Das Drehbuch griff direkt auf das mittelhochdeutsche Nibelungenlied zurück und schuf aus dem Stoff einen Filmklassiker. Der erste Teil Siegfried wurde im Februar, der zweite Teil Kriemhilds Rache im April 1924 im Ufa-Palast am Berliner Zoo uraufgeführt. Dazu entstand – wie könnte es anders sein – ein Sammelbildalbum, das die Zigarettenfabrik Constantin in Hannover herausgab: „Deutsches Schicksal vor Jahrhunderten – deutsches Schicksal noch heute. Darum griff Fritz Lang’s Meisterfilm so tief an unser Herz. Wir sahen wie in einem Spiegel unser Glück und Unglück – unsere Seele.“
Die Zigarettenfirma hatte von der Universum-Film AG die Rechte für 75 Filmbilder erworben, um „eine Gabe von bleibendem Wert in jedes deutsche Haus zu bringen“. Auch dafür fanden sich neue Nachfolger: Die Ersatzkaffee-Fabrik Andre Hofer in Salzburg ließ den Film in Fresken abmalen und brachte davon fünf verschiedene Bilderserien in Umlauf. Auch die holsteinische Margarinefabrik Wagner bewarb mit den Nibelungen ihre Echte Wagner und die Kolonialwarenhandlung Meinecke in Berlin nutzte sie für ihr Wiener Sand-Torten-Mehl.
Als Sammelalbum der Margarinefabrik Johannes Thormählen KG in Elmshorn in Holstein schaffte es auch das Nibelungenlied Anfang der 1950er Jahre zum „guten Jugendbuch“.

Das Nibelungen-Epos.
[Antwerpen]: Liebig's Company, [1911].
Arnhold/Spielhagen Nr. 821.
- Siegfried zieht nach Worms.
- Hochzeit von Gunther und Brunhild und von Siegfried und Kriemhild in Worms.
- Hagen tötet Siegfried (hier abgebildet).
- Rüdiger freit für Etzel um Kriemhild.
- Die Donaunixen prophezeien Hagen den Untergang der Burgunden.
- Dietrich von Bern kämpft mit Hagen.
Badische Landesbibliothek: 121 F 282 R

Serie 5366: Die Nibelungen.
5. Hagen wirft den Nibelungenhort in den Rhein (hier abgebildet).
6. Kriemhild läßt den Saal anzünden.
Nota-Karten. Chromolithographie.
[Magdeburg]: J. G. Hauswaldt, [Dresden]: [Dresdner Kunstanstalt], [ca. 1900].
Die 1786 in Magdeburg gegründete, 1926 liquidierte Kakao- und Schokoladenfabrik Johann Gottlieb Hauswaldt stellte auch Zichorienkaffee her. Dieses Getränk wird aus den Wurzeln der Gemeinen Wegwarte (Zichorie) hergestellt und hat seinen Ursprung im 18. Jahrhundert. Damals wurden die gerösteten Zichorienwurzeln dem Bohnenkaffee beigefügt, um ihn bitterer und dunkler zu machen.
Die auf Massendrucksachen spezialisierte Dresdner Kunstanstalt war eine jener Druckereien, die ihre Serien an zahlreiche Firmen verkauften und mit speziellem Firmenaufdruck ausgaben.
Die Firma Hauswaldt legte die Nota-Karten, deren Rückseite für Rechnungen verwendet werden konnte, den Packungen der Ersatzkaffee-Marke Kaiser Otto bei.
Badische Landesbibliothek: 120 H 2009 R

Stollwerck-Serie 419:
Deutsche Heldensagen.
Farbautotypien.
[Köln]: [Gebrüder Stollwerck A. G.], [1908].
Für Stollwerck’s Helden-Album No. 10.
Bild 5 signiert: M. Brandenburg
- Siegfried
- Hagen (abgebildet)
- Brunhild
- Kriemhild
- Gudrun
- Fritjof
Die Firma Stollwerck vertraute ihre Bilderserie zum Nibelungenlied dem Berliner Secessionisten Martin Brandenburg (1870–1919) an. Dieser lieferte ab 1906 mehrfach Entwürfe für die Stollwerck-Sammelbilder. Die Burgunden müssen hier Werbung machen für Alpenvollmilch-, Sahne-, Mokka- und Herrenschokolade. Die Serie ist reinster Jugendstil, sie entrückt das Geschehen ins Unwirklich-Fabelhafte. Das fünfte Sammelbild der Serie ist vom Künstler signiert.
Badische Landesbibliothek: 120 H 2006 R

Serie XI: Die Nibelungen.
4. Siegfried tötet Fafner.
Dresden: Hartwig & Vogel, [1909].
Die Schokoladen-Produkte der Firma Hartwig & Vogel in Dresden wurden unter dem Markennamen Tell vermarktet.
Auch dieses Sammelbild einer ehemals sechsteiligen Serie wirbt auf der Rückseite für die Tell-Schokolade. „Einzig in ihrer Art“ hatte sie auf der Pariser Weltausstellung 1900 eine Goldmedaille errungen. Sie wurde in Packungsgröße von zwei Tafeln in elegantem lila, rosa, hellblauem oder lichtbraunem Karton verkauft.
Die Firma wurde 1938 enteignet und ging später in den VEB Dresdner Süßwarenfabriken „Elbflorenz“ auf, die 1991 den Betrieb einstellten.
Badische Landesbibliothek: 120 H 2010 R

Nibelungen-Lied, Serie N. 93–96, gemalt von Ivo Puhonny.
Farblithographien.
Hamburg: Schlinck, [Karlsruhe]: Künstlerbund Karlsruhe [Drucker], [ca. 1915].
Gleich vier Serien mit je sechs Palmin-Bildern widmete die Firma Schlinck der Nibelungensage. Die ausdrucksstarken Bilder stammten von dem Baden-Badener Grafiker Ivo Puhonny (1876–1940) und wurden in der Kunstdruckerei des Karlsruher Künstlerbundes hergestellt. Puhonny entwarf in den Jahren 1910–1914 auch komplette Anzeigenserien für Palmin.
Badische Landesbibliothek: 116 E 199 RH

Nibelungensage.
1. Siegfried wird zum Ritter geschlagen.
2. Chriemhilde dankt Siegfried nach dem Kampfe gegen die Sachsen.
[Berlin]: Carl Meinecke, [ca. 1936].
Bei den Bildern der Firma Carl Meinecke handelt es sich um den Typ der Kaufmannsbilder. Mehrere Firmen nutzten die gleichen Bilder und unterschieden sich dabei nur durch den Werbeaufdruck auf der Rückseite.
Mit dieser Serie warb das ab 1936 am Berliner Winterfeldtplatz ansässige Kolonialwarengeschäft für Mehl, Mühlenfabrikate und Konserven, insbesondere aber für sein spezielles Wiener Sand-Torten-Mehl.
Badische Landesbibliothek: 120 H 2007 R

Die Nibelungen.
Hannover: Cigarettenfabrik Constantin, [1928].
Das Sammelalbum mit den Bildern zu UfA-Film Die Nibelungen wurde gegen Einsendung von 85 Pfg. franko zugesandt.
Hier: Kriemhild und Siegfried.
Badische Landesbibliothek: 120 F 695 R

Die Nibelungen II.
Serie 18 Nr. 7: Kriemhild an Siegfrieds Bahre.
Elmshorn: Holsteinsche Pflanzenbutterfabriken Wagner & Co, [1928].
Badische Landesbibliothek: 120 H 2011 R

Das Nibelungen-Lied in 5 Friesen. Der Jugend gewidmet.
[Salzburg]: Vereinigte Feigenkaffeefabriken Andre Hofer, Graz: A. Wall, [1929].
Fries 3 Nr. 4: Wie Kriemhilde Hagen Rache schwur.
Fries 4 Nr. 3: Wie Kriemhild zu den Hunnen zog.
Fries 4 Nr. 4: König Etzel und Frau Kriemhilde.
Fries 5 Nr. 2: Wie Kriemhilde die Hunnen gegen die Burgunden hetzte (hier abgebildet).
Insgesamt 5 x 5 Bilder umfassten die Nibelungenlied-Wandfriese der Salzburger Ersatzkaffee-Fabrik Hofer. Sie wurden als Beilage zu Hofer-Feigenkaffee oder Hofer-Kornkaffee abgegeben. Ersterer wurde aus gerösteten und gemahlenen Feigen hergestellt und diente dem Kaffeetrinker zugleich als Süßungsmittel; Kornkaffee ist dasselbe wie Zichorienkaffee.
Gegen Einsendung von 25 Packungsumschlägen erhielt man als Hofer-Kunde gratis und franko einen kompletten Fries seiner Wahl, dazu auch eine gedruckte Inhaltsangabe der Nibelungensage.
Sämtliche Friese wurden nach dem Ufa-Film Die Nibelungen von Fritz Lang erstellt und von dem Grazer Maler Franz Köck ausgearbeitet.
Badische Landesbibliothek: 120 H 2008 R

Siegfried. Held und König der Nibelungen.
Der Nibelungensage I. Teil.
Hrsg.: Johannes Thormählen KG., Margarinefabrik, Elmshorn in Holstein.
Entwurf und Zeichnung der Bilder: Rudi Großmann.
Bremen: Carl Schünemann, [1952].
Das Jugendbuch erzählt die Lebensgeschichte Siegfrieds bis nach seinem Tod, wenn Hagen den Nibelungenhort im Rhein versenkt.
Badische Landesbibliothek: 120 E 2787 R
Text: Dr. Julia Freifrau Hiller von Gaertringen
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