150 Jahre badische Münzprägung I

Eine Dokumentation in Schlaglichtern anhand von Dokumenten in der Badischen Landesbibliothek Teil I

Felix Geisler 5.9.2024 18.15 Uhr

DOI: https://doi.org/10.58019/nnvj-e439

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bis 1936 waren die Großherzogliche Hof- und Landesbibliothek in Karlsruhe und das Großherzogliche Münzkabinett eng miteinander verbunden: Sie wurden in den gleichen Räumlichkeiten aufbewahrt und in Personalunion geleitet. Dies war zugleich die Zeit der territorialen Neuordnung Europas und der industriellen Revolution – beide Entwicklungen wirkten sich erheblich auf die Modernisierung der Münzprägung in Baden aus.

In den folgenden Ausführungen wird die Geschichte der badischen Münzprägung in zwei Teilen nachgezeichnet. Hier im ersten Teil stehen die Anfänge bis Mitte des 19. Jahrhunderts sowie die Art und Weise der Münzherstellung im Vordergrund.

Geschichte des Münzkabinetts bis 1859

Der Bibliothekar an der Hofbibliothek in Karlsruhe, dem Vorläufer der Badischen Landesbibliothek, Friedrich Molter (1775–1842) äußerte sich über die Anfänge der Münzsammlung in seiner Schrift Die Großherzogliche Hofbibliothek (1838) wie folgt: 

„Den Nachrichten zufolge, welche die badischen Geschichtsschreiber Schöpflin und Sachs darüber gaben, war es der Markgraf Friedrich VI., der mit Beihilfe des berühmten Charles Patin eine Münz- und Antiken-Sammlung anlegte. […] Um die Sammlung während der Kriege zu sichern, wurde sie in dem badischen Hofe in Basel verwahrt, im Jahr 1764 aber auf Karl Friedrichs Befehl nach Karlsruhe gebracht und gleich wie die später von Rastatt gekommenen dortigen Gegenstände im Local der Hofbibliothek aufgestellt.“

Die Karlsruher Hofbibliothek war vermutlich ab dem Jahr 1766 für die gebildete Allgemeinheit zugänglich, die erste Benutzungsordnung datiert auf das Jahresende 1770 (vgl. hierzu auch den Blogartikel „250 Jahre öffentlich!“). Auf persönlichen Wunsch von Karl Friedrich (1728–1811, Markgraf, ab 1803 Kurfürst, ab 1806 Großherzog) wurden die numismatischen Bestände, also alle Münzen, die sich in zwei schlichten hochbeinigen Chinaschränkchen befanden, für Interessenten geöffnet. Um 1781 konnte die erste Katalogisierung des Münzkabinetts unter der Leitung von Friedrich Valentin Molter, der die Hofbibliothek und die numismatischen Bestände von 1763 bis 1808 verwaltete, abgeschlossen werden. 

Die Abbildungen zeigen eine Bildtafel aus Berstetts Münzgeschichte von 1846 und Ballys Münzkatalog von 1896.

Abb. 1: Bildtafel aus Christian Jakob August von Berstett: Münzgeschichte des Zähringen-Badischen Fürstenhauses (1846, links) sowie die Titelseite von Otto Bally: Katalog über die Münzsammlung Grossh. Badischer Lande (Schmuckausgabe, 1896, rechts)
 

Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein widmete man sich im Münzkabinett bevorzugt den antiken Geprägen, erst danach bemühte man sich im verstärkten Maße darum, die Sammlung um ‚vaterländische‘ Münzen und Medaillen zu erweitern. Dies wurde auch mittels einer Verordnung erreicht, wie abermals Molter 1838 in seiner Schrift Die Großherzogliche Hofbibliothek nachzeichnete: 

„Im Jahr 1787 erhielt die fürstliche Rentkammer die Weisung, daß zur Vervollständigung der vaterländischen Numismatik von allen neu geprägten Münzen und Medaillen jedesmal ein Exemplar zum Münzcabinet gegen Ersatz aus dessen Fonds abgegeben werden solle.“

Diese Verordnung wurde 1821 und 1839 erneuert, da sie in den napoleonischen Kriegen in Vergessenheit geraten war. Die badische Abteilung der Münzsammlung wurde daneben durch gezielten Ankauf fehlender Stücke aus den Sammlungen des Majors Freiherr Christian Jakob August von Berstett im Jahre 1851 und des Schuhfabrikanten Otto Bally im Jahr 1890 ergänzt – beide veröffentlichten auch Publikationen zur badischen Münzprägung (siehe Abb. 1 und Literaturverzeichnis am Ende).

Die Abbildung zeigt badische Kreuzer- und Guldenmünzen von 1813 bis 1873.

Abb. 2: Kreuzer- und Guldenmünzen Badens 1813 bis 1871. Eigene Zusammenstellung

Friedrich Molter, Friedrich Valentin Molters Sohn, welcher der Bibliothek und dem Münzkabinett von 1817 bis 1842 vorstand, begründete dies in seinem Bericht Die Großherzogliche Hofbibliothek (1838) wie folgt: 

„So leicht es einzusehen ist, wie beträchtlich ein Fonds seyn müßte, um eine Münzsammlung in allen Abteilungen einer gleichen Vollständigkeit nahe zu bringen, eben so begreiflich wird man es finden, warum bei neuen Erwerbungen zunächst die badischen dann die römischen Münzen, und erst zuletzt auch andre Sorten, vorzüglich Gold- und Thaler-Stücke berücksichtigt wurden.“ 

Über den Stand der Sammlung zu Baden schreibt er: 

„Unter den modernen Münzen zeichnen sich vorzüglich aus: die Suite der badischen Münzen und Medaillen in Gold, Silber und Kupfer; sie beginnt mit denen des Markgrafen Christoph I, darunter diejenige die älteste ist, welche derselbst 1501 auf den seliggesprochenen Markgraven Bernhard prägen ließ; […].“

Im Jahr 1842 übernahm Johann Christoph Döll die Leitung der Bibliothek für dreißig Jahre bis 1872. Als ausgewiesener Botaniker befasste er sich wissenschaftlich mit der Flora Badens und publizierte dazu. Die Numismatik gehörte dagegen nicht zu seinen Interessensgebieten. Trotzdem wurde 1859 das Münzkabinett in die Hof- und Landesbibliothek eingegliedert und nun auch offiziell deren Direktor unterstellt. Die Sammlung badischer Münzen veranschaulichte darin ein wichtiges Stück Wirtschafts- und Technikgeschichte des Landes.

Badische Münzprägung bis 1871

Nach der Gründung von Karlsruhe als Residenzstadt im Jahr 1715 dauerte es mehr als ein Jahrhundert, bis die Stadt eine eigene Münzstätte bekam. Für kurze Zeit wurden ab 1732 Münzen im Karlsruher Schloss geprägt, schon zwei Jahre später wurde die Münze jedoch ins nahe gelegene Durlach verlegt. Durch eine geschickte Bündnispolitik nahm Badens Bedeutung stark zu: In der Folge dehnte es seine Fläche erheblich aus und wurde 1803 Kurfürstentum, 1806 schließlich Großherzogtum. Der badische Großherzog übernahm die rechtsrheinische Kurpfalz und damit die Münzstätte in Mannheim, die ab 1802 für die badischen Prägungen genutzt wurde. 

Die Postkarte zeigt eine Ansicht der neuen Münze in Karlsruhe von ca. 1830.

Abb. 3: Ansicht der neuen Münze in Karlsruhe (ca. 1830). In: Peter Pretsch (Hrsg.): Vom Gulden zum Euro. 175 Jahre Münzstätte Karlsruhe. Karlsruhe 2002. Badische Landesbibliothek, Signatur: 102 B 578

Dem gestiegenen Ansehen Badens gerecht werden wollte man aber mit einer eigenen Münzstätte am Sitz der Residenz, und so wurde 1816 der Bau der Karlsruher Münze beschlossen. Das klassizistische Gebäude beruht auf Plänen des Militärbaumeisters Friedrich Arnold und des bekannten Karlsruher Architekten Friedrich Weinbrenner (siehe Abb. 3). Es wurde 1827 mit der Prägung einer 10-Gulden-Münze aus Rheingold eingeweiht. Fortan stellte man dort sämtliche badischen Umlauf- und Gedenkprägungen her.

Die Abbildung zeigt eine Bleimedaille auf den bau der Münzstätte in Karlsruhe 1826.

Abb. 4: Bleimedaille auf den Bau der Münzstätte 1826, geprägt von Ludwig Kachel

Im süddeutschen Raum und auch in Baden war die Gulden-Währung nach der österreichisch-bairischen Münzkonvention von 1753 in Gebrauch, wobei zwei Gulden einem Konventionstaler entsprachen und ein Gulden 60 Kreuzer wert war (siehe Abb. 2). Aus einer ‚feinen Mark‘ (234 Gramm Feinsilber) wurden zunächst 20, später 24 Gulden geprägt (diese Bestimmung, wie viele Münzen, hier Gulden, aus einer Gewichtseinheit Edelmetall, hier Feinsilber, entstehen sollen, wird Münzfuß genannt). Das Feingewicht ist auf den Talermünzen und den Teilstücken manchmal angegeben, z.B. „X eine feine Mark“ (das X ist die römische Zahl 10 und steht hier für ein Zehntel einer feinen Mark, das sind 23,4 Gramm Feinsilber und entspricht einem Konventionstaler nach dem 20-Gulden-Münzfuß). Das Aufkommen nicht nach Konvention geprägter Taler, z.B. Krontaler, machte die Wertermittlung der Münzen zunehmend schwierig, vor allem am Ende des 18. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

Die Abbildung zeigt Taler und Mehrfachgulden von 1814 bis 1863.

Abb. 5: Taler und Mehrfachgulden 1814 bis 1863. Eigene Zusammenstellung

Das liberale Baden beteiligte sich aktiv an der überfälligen Reformierung des deutschen Münzwesens, es trat 1835 dem deutschen Zollverein und 1837 dem süddeutschen Münzverein bei. Das sich schnell entwickelnde Eisenbahnnetz und der zunehmende überregionale Handel machte eine Koordinierung der verschiedenen Münzsysteme erforderlich. Die Einführung eines in ganz Deutschland gültigen dezimalen Münzsystems gelang jedoch zunächst nicht (in Baden zeugen eine 10-Kreuzer-Münze, siehe Abb. 2, und ein Taler zu 100 Kreuzer, siehe Abb. 5, geprägt in den Jahren 1829/1830, von diesem Versuch). Im Münchner Münzvertrag 1837 und im Dresdner Münzvertrag 1838 einigte man sich aber auf einen neuen allgemeingültigen 24-einhalb-Guldenfuß für die feine Mark und auf ein Verhältnis von zwei Vereinstalern zu dreieinhalb Gulden. In Baden prägte man in der Folge sowohl Gulden-Münzen als auch die neuen Vereinstaler, dazu Kleinmünzen in der bekannten Kreuzerwährung. Zuletzt führte Baden nach dem Wiener Münzvertrag 1857 das Zollpfund (500 Gramm Feinsilber) als Berechnungsgrundlage ein und prägte daraus 30 Vereinstaler.

Technische Fortschritte bei der Münzprägung im 19. Jahrhundert

Der großherzoglichen Regierung war es wichtig, neueste Technik und Produktionsmethoden einzuführen. Daher wurde der Graveur und Münzrat Ludwig Kachel, 1824 bis 1874 Leiter der badischen Münzstätte, zu Erkundungen der Prägestätten nach Berlin, München, Dresden und Wien geschickt. Die aus der Mannheimer Prägestätte überführten Maschinen wurden bald durch neue, schwere Prägewerke aus der Fabrik des Freiherrn von Eichthal zu St. Blasien ersetzt. 

Die Abbildung zeigt die Münzprägung in der Londoner Münze von 1825.

Abb. 6: Münzprägung in der Londoner Münze 1825 (größtenteils manuell, teilweise Antrieb durch Wasserkraft oder Pferde): Die Prägung der Münzen erfolgte mit einem Balancier (Stoßwerk), alternativ auf einem Walzprägewerk. In: Peter Pretsch (Hrsg.): Vom Gulden zum Euro. 175 Jahre Münzstätte Karlsruhe. Karlsruhe 2002. Badische Landesbibliothek, Signatur: 102 B 578

1829 stellte man die erste so genannte Uhlhornsche Prägemaschine mit Kniehebeldruck auf, eine Hebelpresse mit ein oder zwei Hebeln, die dem menschlichen Knie ähneln: Je weiter der Kniehebel durchgestreckt wird, desto mehr Kraft wird auf die zu prägende Münze übertragen. In den folgenden Jahren wurden weitere solcher Maschinen eingesetzt. 1872 arbeiteten in Karlsruhe drei Prägemaschinen und zwei Durchschnitte für die eigentliche Prägung sowie eine Rändelmaschine von der Firma Uhlhorn, die den Rand der Münze bearbeitete. Weitere Maschinen Uhlhornscher Bauart wurden durch Maschinenwerke in Karlsruhe geliefert. Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch größtenteils manuell betriebene Münzprägung mit Balancier oder Walzenprägung (siehe Abb. 6) wurde zu einem industriellen Fertigungsprozess umgestellt, betrieben durch Dampfmaschinen (siehe Abb. 7).

Die Abbildung zeigt die industrielle Münzprägung in Utrecht 1860.

Abb. 7: Münzprägung 1860 in Utrecht (industriell) unter Einsatz von Dampfmaschinen und der Uhlhornschen Prägemaschine mit Kniehebeldruck. In: Volker Benad-Wagenhoff, Konrad Schneider: „...dieser unerschöpfliche, seltene Mann ...“. Diedrich Uhlhorn und die moderne Münztechnik. Grevenbroich 2009. Badische Landesbibliothek, Signatur: 124 A 7455

Mit Gravursticheln wurden Abbildungen, Schrift und Zahlen in die Patrizen gegraben, und das meist bei schlechtem Licht und ohne optische Hilfsmittel. Trotzdem entstanden Meisterwerke der Gravierkunst. Mit Spindelpressen konnte man die von den Graveuren gefertigten Patrizen auf die Münzstempel übertragen. Da sich die Stempel schnell abnutzten, mussten sie häufig erneuert werden. Das erklärt die vielen Varianten und Fehler bei älteren Münzen (siehe Abb. 8): Beim Münzrohling können verschiedene Fehler vorliegen, die durch den anschließenden Prägevorgang nicht behoben werden können. Möglich sind Unebenheiten der Oberfläche, die so tief sind, dass sie auch nach der Prägung noch Fehlstellen hinterlassen, oder das Zainende, bei dem die am Ende eines Zainbleches gelegenen Schrötlinge nicht mehr breit genug sind, um vom Prägestempel voll erfasst zu werden. Daneben hinterlässt das Feilen der Rohlinge, um diese auf das richtige Gewicht zu bringen, oft unschöne Justierspuren.

Seit Beginn der 1830er Jahre benützte man für die Prägestempel Kruppschen und Fischerschen Stahl, der wesentlich härter ist. Auf diese Weise ließen sich alle Details in guter Qualität vervielfältigen und ein weitgehend gleichbleibendes Design erzeugen.

Die Abbildungen zeigen häufig auftretende Produktionsfehler bei der Münzprägung.

Abb. 8: Häufig auftretende Produktionsfehler bei Münzen bis Mitte des 19. Jahrhunderts – Schrötlingsfehler (links), Justierspuren (Mitte), Zainende (rechts). Eigene Zusammenstellung

Eine längere Prozedur war die Herstellung der Ronden für die Münzprägung: Die aus Gießbehältern entnommenen Metallbarren wurden zunächst im Ofen geglüht und dann in der Streckwerkstatt in Streifen genauer Dicke ausgewalzt, die als Zain bezeichnet werden. Die Walzen wurden zunächst durch Pferdegöpel bewegt, später dann mit Dampfmaschinen angetrieben. Da das Metall durch das Walzen wieder hart wurde, musste es mehrfach geglüht werden. Nur das geschmeidige Gold verträgt das etwa fünfzehnmalige Walzen, ohne noch einmal geglüht zu werden. Aus dem Zain stanzte man die Ronden, dies geschah durch den industriellen Fortschritt mit zunehmender Geschwindigkeit (bis zu 180 Ronden pro Minute). Stärke und Durchmesser der Plättchen ließen sich allerdings nicht so exakt herstellen, dass das Gewicht immer vorschriftsmäßig ausfiel. Daher wurden die Ronden nachgewogen und durch Schaben und Feilen justiert, ein Arbeitsgang, der viel Zeit und Mühe beanspruchte. 

Anschließend wurden die durch mehrfache Bearbeitung unansehnlich gewordenen Münzen gebeizt, gereinigt, poliert und getrocknet. Ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt jede Münze zusätzlich einen erhabenen Rand als Schutz vor dem Abscheuern des Gepräges und häufig auch eine Randprägung als zusätzlichen Fälschungsschutz. Zuvor rändelte man die Münzen nach der Prägung oder beließ den Rand ohne weitere Bearbeitung. Die technischen Fortschritte bei der Münzprägung im 19. Jahrhundert waren enorm – sehr deutlich wird das, wenn man Prägungen vom Anfang und vom Ende des Jahrhunderts nebeneinanderlegt, man vergleiche beispielsweise die 2-Gulden-Münze 1822 aus Abbildung 5 mit der 2-Gulden-Münze von 1852 aus derselben Abbildung.

Wie die Geschichte der badischen Münzprägung weitergeht, wird im zweiten Teil berichtet: Fortsetzung folgt.

 

Literatur

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