Klavier, Konzerte, Konservatorium – der badische Komponist Josef Schelb im Karlsruhe der 1920er-Jahre
Brigitte Knödler-Kagoshima 3.7.2024 17.30 Uhr
DOI: https://doi.org/10.58019/mh7c-hf64
1894, vor 130 Jahren, wurde Josef Schelb in Krozingen, heute der Kurort Bad Krozingen südlich von Freiburg, als jüngster Sohn des Arztes Albert Schelb und dessen Ehefrau Luise, geb. Oestreicher, geboren. Er lernte Klavier, zeigte sich schon früh begabt und erhielt später Unterricht beim damaligen Konservatoriumsdirektor und Komponisten Hans Huber in Basel. Sein Abitur absolvierte Josef Schelb am humanistischen Berthold-Gymnasium in Freiburg und entschied sich dafür, die Musik zum Beruf zu machen. Dafür wechselte er in die Schweiz an das Genfer Konservatorium, wo er unter anderem bei dem virtuosen Pianisten Bernhard Stavenhagen Klavier studierte. Während des Ersten Weltkrieges leistete er Kriegsersatzdienst und konzertierte ab 1916 regelmäßig im In- und Ausland, obwohl das kulturelle und musikalische Leben kriegsbedingt deutlich eingeschränkt war. Zudem lehrte er als Dozent an einem nicht näher genannten Freiburger Konservatorium und etablierte sich mehr und mehr als Komponist, vor allem von Kammermusik und Klavierstücken.
Vor hundert Jahren, im Jahr 1924, wurde Josef Schelb als 30-Jähriger an das Badische Konservatorium für Musik nach Karlsruhe berufen. Sein beruflicher Beginn in Karlsruhe fiel in die mittleren Jahre der Weimarer Republik, die auch als die „Goldenen Zwanziger Jahre“ bezeichnet werden. In vielen Ländern Europas gab es in den 1920er Jahren einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung und auch Wissenschaft, Kunst und Kultur blühten auf. Wie prägte diese kulturelle Glanzzeit das Leben des Komponisten und Pianisten Josef Schelb in Karlsruhe? Wie berichteten die Zeitungen über Schelbs erste Jahre an seinem neuen Wirkungsort? Das lässt sich in den Zeitungen der Digitalen Sammlungen der Badischen Landesbibliothek recherchieren.
Josef Schelb um 1932. Foto: Privatbesitz
Josef Schelbs Anfänge in Karlsruhe
Die Karlsruher Zeitung Nr. 232 vom 4. Oktober 1924 berichtete über die Berufung Josef Schelbs unter der Überschrift Aus der Landeshauptstadt / Vom badischen Landeskonservatorium:
„Die Berufung Franz Philipp’s als Direktor an das Badische Konservatorium für Musik brachte eine notwendige Neuorganisation und Erweiterung der Anstalt. Es wurde die Lieder- und Oratoriensängerin, Frau Helene Junker, die auch als Gesangslehrerin das Interesse weiter Kreise auch außerhalb Karlsruhes auf sich gerichtet hat, für die Anstalt gewonnen. Ferner findet ein weiterer Ausbau der Violin- und Klavierausbildungsklassen statt, durch die Berufung des ersten Konzertmeisters am Landestheater, Ottomar Voigt und des bekannten Konzertpianisten Josef Schelb, eines ehemaligen Meisterschülers Stavenhagens.“
Bereits in der nächsten Ausgabe der Karlsruher Zeitung Nr. 233 vom 6. Oktober 1924 war eine Werbeanzeige für das Badische Konservatorium abgedruckt, bei der in der Abteilung Klavier neben Georg Mantel und Frau Hofrat Ordenstein auch Josef Schelb genannt wurde.
Werbeanzeige für das Badische Konservatorium. Ausgabe der Karlsruher Zeitung vom 6. Oktober 1924, S. 4. – zum Digitalisat
Der neue Kollege ließ nicht lange mit einer öffentlichen Veranstaltung auf sich warten, wie eine Anzeige im Karlsruher Tagblatt Nr. 455 vom 23. Oktober 1924 zeigte. Darin wurde ein Klavierabend für den 29. Oktober 1924 angekündigt, bei dem Josef Schelb Werke von Scarlatti, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und Chopin vortragen sollte.
Anzeige für einen Klavierabend von Josef Schelb am 29. Oktober 1924. Ausgabe der Karlsruher Zeitung vom 23. Oktober 1924, S. 4. – zum Digitalisat
Im Karlsruher Tagblatt Nr. 468 vom 31. Oktober 1924 folgte unter der Rubrik Theater und Musik / Klavierabend Josef Schelb eine sehr positive Kritik zum Antrittskonzert:
„Der von Direktor Franz Philipp neuverpflichtete Lehrer für das künstlerische Klavierspiel, Josef Schelb, stellte sich am Mittwoch abend einem sehr zahlreichen und interessierten Publikum mit einem eigenen Konzert vor. Es ist eine alte Uebung, auf diese Weise auch die innere Berufung zur Kunst und Lehramtsführung zu zeigen und damit das Vertrauen in die Zukunft und das Gedeihen des Badischen Konservatoriums zu stärken. Josef Schelb war zwar in Karlsruhe nicht unbekannt, er hat, soviel uns bekannt ist, hier den Sprung zur Kunst gewagt und hatte sich auch schon in Konzerten hören lassen. Er ist nunmehr, wie es sein vorgestriges Konzert erwies, als gereifter Künstler, als geschlossene, zielbewußte Persönlichkeit zu uns zurückgekehrt. Seine Technik ist bedeutend, klangrund und abgeschliffen. Sie dient aber einzig nur einem energischen, von zäher Männlichkeit getragenen Kunstwillen. Sein Spiel sinkt nirgends ab ins Weichliche, Ueberhauchte, Verendende. Er hebt alles wie mit der Wurzel empor und führt es bestimmt, sicher und leicht auf einem gesunden, kräftigen Niveau. Die Linien und Läufe sind scharf und doch fein profiliert und wie sie schweben auch die harmonischen Elemente ganz in Klang.
Das Programm führte von Scarlatti über Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann zu Chopin, umfaßte also die klassische Klaviermusik. Der Künstler wurde jedem Stil gerecht und faßte, was vor allem sympathisch berührte, Mozart sehr liebevoll an. Das Andante cantabile war meisterhaft im Vortrag. Durch das ausdrucksvolle, bewegte Spiel wurde auch die As-Dur-Sonate Beethovens sehr schön zusammengehalten, zerflatterte nicht in einzelne Teile. Von Schumann gefielen die beiden Noveletten und von Chopin die beiden Scherzi außerordentlich. Josef Schelb wurde herzlich gefeiert und mußte sich zu einer Dreingabe verstehen.“
Ein besonderes musikalisches Projekt zur Aufführung aller Violinsonaten von Ludwig van Beethoven wurde im Badischen Beobachter Nr. 312 am 17. November 1924 angekündigt:
„Die beiden Lehrkräfte des Bad. Konservatoriums, Dr. Brückner und Josef Schelb, werden im Saale des Bad. Konservatoriums an drei Abenden sämtliche Violin-Klaviersonaten von Beethoven zum Vortrag bringen. Diese Abende verdienen u.a. auch dadurch besonderes Interesse, als es eine seltene Leistung ist, daß dieselben Künstler uns alle Sonaten vermitteln und uns somit einen geschlossenen Gesamteindruck dieser Seite Beethovenschen Schaffens ermöglichen, Der erste Abend findet am Sonntag, den 23. November, abends 8 Uhr statt. Abonnements und Karten im Odeon-Musikhaus, Kaiserstraße 175.“
Auch die beiden folgenden Konzertabende zum Beethoven-Zyklus am 14. Dezember 1924 und am 11. Januar 1925 wurden im Karlsruher Tagblatt Nr. 538 vom 11. Dezember 1924 und in der Badischen Presse Nr. 5 vom 4. Januar 1925 annonciert.
In Karlsruhe begleitete Josef Schelb auch durchreisende Künstler auf Tourneen am Klavier. Dies zeigte eine Konzertankündigung im Badischen Beobachter Nr. 89 vom 30. März 1925 in der Rubrik Veranstaltungen / Gewandhaus-Quartett:
„Heute, Montag, den 30. März, findet abend ½ 8 Uhr, im Eintrachtsaale der 7. Kammermusikabend der Konzertdirektion Kurt Neufeldt statt. Das berühmte Gewandhaus-Quartett aus Leipzig wird das fis-moll Streichquartett von Reger, das Klavierquintett von Schumann (am Klavier: Josef Schelb) und das g-moll Streichquartett von Grieg zum Vortrag bringen. Karten bis abends 6 Uhr. Waldstraße 39, eine Treppe, Abendkasse ab 7 Uhr.“
Das Leipziger Gewandhaus-Quartett wurde 1808 gegründet und ist damit eines der ersten professionellen Streichquartette der Welt. Es musiziert bis heute und hat in seiner über 200-jährigen Geschichte zahlreiche Uraufführungen gespielt. Welche Wertschätzung das Konzert erfuhr, zeigte eine Kritik im Karlsruher Tagblatt Nr. 154 vom 1. April 1925 in der Rubrik Theater und Musik / Kammermusik-Abend:
„Das Gewandhaus-Quartett, dessen Mitglieder Edgar Wollgandt, Karl Wolschke, Carl Herrmann und Julius Klengel dem berühmten Leipziger Gewandhaus-Orchester angehören, genießt im In- und Ausland einen bedeutenden künstlerischen Ruf. Die instrumental und musikalisch gut disziplinierte Vereinigung spielt mit jener überlegenen Ruhe und inneren Raffung, die die Ausstrahlungen der Ausdruckswärme binden, schwebend machen und den Ausbrüchen der Leidenschaft reine, volle Leuchtkraft geben. Daraus ergibt sich eine vornehme, verhaltene Rhythmik, eine an Wohllaut und überraschenden Effekten reiche Dynamik u. eine Belebung der melodischen Linien, die oft wie sprachliche Diktion anmutet. [...] Außergewöhnlich herzlichen Beifall ernteten sie mit der überaus farbigen, technisch glänzenden Wiedergabe von Robert Schumanns frischem, gesunden Klavier-Quintett Es-dur, op. 44. Von unserem einheimischen Pianisten Josef Schelb, der sich trefflich in das Ensemble einfügte, wurde sie aufs beste unterstützt. Den Schwung und die Klarheit einer so beseelten Romantik läßt man sich gerne gefallen.“
Aufführungen eigener Werke
Im Laufe der Zeit führte Schelb in Konzerten immer wieder seine eigenen Kompositionen auf, wie beispielsweise eine Ankündigung im Karlsruher Tagblatt Nr. 30 vom 31. Januar 1927 zum II. Kammerkonzert des Badischen Konservatoriums zeigte, das für den 5. Februar 1927 geplant war. Auf dem Programm stand zeitgenössische Musik für Flöte, Bratsche und Klavier von Paul Hindemith, Philipp Jarnach, Josef Schelb und Julius Weismann, wobei es sich jeweils um Erstaufführungen in Karlsruhe handelte. Eingeleitet werden sollte das Konzert mit der Sonate für Bratsche und Klavier op. 11 Nr. 4 von Paul Hindemith.
„Der in Karlsruhe lebende, und am Bad. Konservatorium als Lehrer der Klavierausbildungsklassen wirkende Josef Schelb hat ebenfalls eine Bratschensonate geschrieben, die an diesem Abend zur Uraufführung kommen wird. Diese an technischen Schwierigkeiten reiche Komposition sprüht von lebendigen Einfällen und charakteristisch bewegten Rhythmen, die sich im letzten Satz zu einer machtvollen Fuge türmen. Herr Schelb wird selbst den Klavierpart seines Werkes übernehmen, desgleichen auch in den übrigen, auf dem Programm dieses Konzerts stehenden Werken, die sämtliche in Karlsruhe zum ersten Mal zur Aufführung gelangen. Ihm zur Seite stehen Kammervirtuose Karl Spittel (Flöte) und Georg Valentin Panzer (Bratsche), die sich durch ihre bisherige Tätigkeit innerhalb des Musiklebens unserer Stadt einen bedeutenden Namen geschaffen haben.“
Josef Schelb: Sonate für Bratsche und Klavier Nr. 1. Autograph, 1925
Badische Landesbibliothek, Mus. Hs. 1442,C,14
Die neue Komposition von Josef Schelb fand den Beifall des Publikums, wie eine Konzertkritik in der Karlsruher Zeitung Nr. 36 vom 12. Februar 1927 zeigte:
„Auch unter den Lehrkräften des bad. Konservatoriums hat die neue Musik jetzt eifrige Befürworter gefunden. Das bezeugte ein Konzert im Bürgersaal des Rathauses, zu dem sich Karl Spittel, G. V. Panzer und Josef Schelb vereinigt hatten, um Werke für Flöte, Bratsche und Klavier erstaufzuführen. Stärkster Resonanz begegnete eine Sonate für Bratsche und Klavier, deren formale Abgeschlossenheit der augenblicklichen Ausdruckskraft des Komponisten Josef Schelb wohl am besten entspricht. Noch ist das Werk nicht zielbahnend, aber es tendiert so deutlich zur modernen Richtung, daß man von epigonaler Einstellung (Brahms-Regernachfolge!) kaum mehr reden darf. Sehr fortschrittlich ist zudem die Konzentration auf das absolut Notwendige; solch gedrungene Knappheit gibt vor allem dem zweiten und dritten Satz (Scherzo und Andante) ein sehr verheißungsvolles Gesicht, während der abschließenden Fuge, so gewandt sie auch thematisch gearbeitet ist, das letzthin Bezwingende fehlt. Das nie mit Phrasen operierende Werk weckte freundl. Beifall, der schon der eingangs gespielten Bratschensonate von Paul Hindemith – einer Frühschöpfung von noch gemäßigt moderner, aber klanglich sehr optimistischer Haltung – nicht versagt worden war.“
Rudolf Hindemith, der jüngere Bruder des berühmten Komponisten Paul Hindemiths, war Cellist, Komponist und Dirigent. Konzertankündigungen in der Karlsruher Presse zeigten, dass er in Karlsruhe gemeinsam mit Josef Schelb musizierte, nachdem er als Cellist an das Badische Konservatorium berufen worden war. Angekündigt wurde ein solches Konzert in Der Albtalbote – Mittelbadischer Courier Nr. 248 vom 26. Oktober 1927 unter der Rubrik Bad. Konservatorium für Musik Karlsruhe:
„Als letztes musikalisches Ereignis der Karlsruher Herbsttage veranstaltet das Bad. Konservatorium für Musik einen Badischen Komponisten-Abend, dessen Programm eine Reihe von Ur- und Erstaufführungen enthält. Josef Peischer und Rudolf Hindemith, die beiden neuverpflichteten Lehrer des Bad. Konservatoriums, spielen am Eingang des Abends das Duo für Violine und Violoncella (sic!) von Victor Axel Serck. Heinrich Cassimirs Musikschaffen ist durch seine bereits 1912 komponierte Klaviersonate, die Josef Schelb vortragen wird, sowie durch seine höchst wirkungsvollen Gesänge für Bariton nach Dichtungen von Peter Hille vertreten. Den Abschluß des Abends bildet das Klaviertrio opus 77 des Freiburger Komponisten Julius Weismann, der höchstwahrscheinlich der Veranstaltung persönlich beiwohnen wird. Der Kartenverkauf, der den Musikalienhandlungen Fritz Müller, Kurt Neufeldt und Franz Tafel übertragen worden ist, hat bereits eingesetzt.“
Eine Konzertkritik wurde im Karlsruher Tagblatt Nr. 303 vom 2. November 1927 unter der Überschrift Karlsruher Konzertleben abgedruckt:
„Der Badische Komponisten-Abend, den das Badische Konservatorium für Musik im Rathaussaal veranstaltete, stand auf künstlerischer Höhe und fand umso stärkeres Interesse, als das Programm drei Uraufführungen und eine Erstaufführung ankündigte. Victor Axel Sercks Duo für Violine und Violoncell op. 16 erwies sich als ein Werk von vornehmer Haltung bei durchaus moderner Einstellung. Im Rhythmus des ersten Satzes springt Blut und Gefühl, er hat gute musikalische Form, die in origineller Art Kanon und Nachahmung verwendet. [...] Dies Duo ist ein Markstein. In Josef Peischer und Rudolf Hindemith hatte es zwei ausgezeichnete Interpreten, die sich mit Freude der dankbaren Aufgabe widmeten. Weich und schön klangen die Instrumente, in tonlicher Fülle. Eine hochachtbare Schöpfung ist auch Heinrich Cassimirs h-moll-Klaviersonate, in der Anlage schon von bedeutendem Ausmaß und in thematischer Verarbeitung geistvoll, beschwingt und fesselnd. Auch in diesem Werke ist der erste Satz – ein an blühendem Ausdruck reiches Allegro energico – der inhaltlich stärkste. Das Adagio wühlt sich in schwere Empfindung, aus der dann die spritzige Burla befreit. Josef Schelb spielte die Sonate in großem Stil und mit glänzender Technik. [...] Julius Weismanns, auf volkstümlich-idyllische Wirkung abzielendes Trio für Klavier, Violine und Cello beschloß den genußreichen Abend. Es wurde von den Herren Josef Schelb, Josef Peischer und Rudolf Hindemith (an dem Karlsruhe einen hervorragenden Cellisten gewonnen hat) vorzüglich ausgeführt. Die anwesenden Komponisten wie auch die Vortragenden erhielten wärmsten Beifall.“
Unterwegs im In- und Ausland
Juan Manén (1883–1971) war ein spanischer Violinist und Komponist. In jungen Jahren lernte er das Geigenspiel so rasch, dass Pablo de Sarasate, ein bekannter Geigenvirtuose, auf ihn aufmerksam wurde und ihn auf eine Tournee nach Deutschland begleitete. Später komponierte Juan Manén auch eigene Werke. In Karlsruhe musizierte Josef Schelb gemeinsam mit Juan Manén, wie eine Konzertkündigung in der Badischen Presse Nr. 60 vom 4. Februar 1928 unter der Überschrift Voranzeigen der Veranstalter / Geigen-Abend Juan Manén zeigte:
„Morgen Sonntag, den 5. Februar findet abends 8 Uhr im Eintrachtsaal anläßlich der Anwesenheit des Geigers und Komponisten Professor Juan Manén zu den Aufführungen seiner Oper ‚Nero und Akte‘ in Karlsruhe, ein Sonder-Meisterkonzert statt, in dem der berühmte spanische Geiger das Violin-Konzert von Bruch in g-moll, die Chaconne für Violine allein von Bach, eine Sonate für Violine und Klavier von dem alten Italiener Porpora in eigener Bearbeitung, ferner ein Anzahl kleiner Stücke, darunter die Zigeunerweisen von Sarasate, zum Vortrag bringen wird. Der Klavierpart wurde dem einheimischen Pianisten Joseph Schelb übertragen. Da mit starkem Andrang zu rechnen ist, wird auch am Konzert-Sonntag von 11–1 Uhr die Konzertvorverkaufskasse bei Kurt Neufeldt, Waldstraße 39 geöffnet sein. Die Abendkasse wird eine halbe Stunde vor Beginn, also ½ 8 Uhr geöffnet.“
Eintrag in ein Gästebuch der Konzertdirektion Neufeldt zu dem Konzert am 5. Februar 1928
Badische Landesbibliothek, K 3283,3
Eine Konzertkritik wurde kurz darauf in der Badischen Presse Nr. 63 vom 7. Februar 1928 unter der Überschrift Geigenabend Juan Manén veröffentlicht:
„Nach dem Komponisten, dessen Oper ‚Nero und Akte‘ das Badische Landestheater aufführte, trat nun der weitaus berühmtere Geiger Juan Manén im Saale der Gesellschaft ‚Eintracht‘ mit einem erwählten Programm hervor, das in jeder Hinsicht geeignet war, seine glänzende Kunst in das hellste Licht zu rücken. Das g-moll Violinkonzert von Max Bruch, die Chaconne für Violine allein, die g-dur Romanze von Beethoven und die effektvollen Zigeunerweisen von Sarasate, eine schön geformte eigene Komposition und einige Bearbeitungen bildeten die Hauptstützen des Abends. Juan Manén erwies sich wieder als Virtuose, der seinesgleichen sucht, weil er auch ein prächtiger Musikant dazu ist. Er erscheint uns als typischer Vertreter romanischer Musikkultur. Wundervoll die Weichheit und bezaubernde Süßigkeit seines ausdrucksvollen Tones. Joseph Schelb, der vorteilhaft bekannte Pianist, wirkte als Begleiter ruhig, diskret und verlässig. Ein wertvoller Abend. Beifall und Zugaben.“
Beide Musiker schienen Gefallen an der Zusammenarbeit gefunden zu haben, denn kurz darauf brachen sie zu einer gemeinsamen Tournee nach Südamerika auf. Darüber berichtete ein Presseartikel im Badischen Beobachter Nr. 105 vom 16. April 1928 unter der Rubrik Veranstaltungen:
„Josef Schelb, der ausgezeichnete Pianist und Lehrer für höheres Klavierspiel am Badischen Konservatorium, wurde von der Leitung dieser Anstalt für 3 Monate beurlaubt, um mit dem berühmten Violinvirtuosen Juan Manén eine 30 Konzerte umfassende Tournee durch Südamerika zu absolvieren. Wie wir hören, hat die Konzertdirektion Kurt Neufeldt, die s. Zt. Josef Schelb an Professor Manén empfohlen hat, dieses für einen Karlsruher Künstler außerordentlich ehrende Engagement vermittelt.“
Die Rückkehr von Josef Schelb wurde im Karlsruher Tagblatt Nr. 201 vom 21. Juli 1928 unter der Rubrik Kunst und Wissenschaft angekündigt:
„Josef Schelb, der hervorragende Pianist und Lehrer am Badischen Konservatorium, ist vor einigen Tagen, nach dreimonatiger Abwesenheit, aus Südamerika zurückgekehrt, wo er mit dem weltberühmten Violinvirtuosen Juan Manén in 30 Konzerten als Klavierpartner mitwirkte. Uns vorliegende Kritiken aus zahlreichen Zeitungen von Brasilien, Uruguay und Argentinien heben die pianistische Leistung Schelbs ganz besonders hervor, so schreibt z.B. die Deutsche La Plata-Zeitung am 20. Juli folgendes: ‚Der Begleiter Josef Schelb gefällt sich nicht nur im „Anpassen“ an den Violinisten. Es handelt sich um einen vollblütigen, stark empfindenden und stark mitschaffenden Künstler, der das farbige und ausgeglichene Spiel Manéns prachtvoll zu stützen und bereichern wußte. Der Erfolg war sehr groß.‘“
Für die folgende Zeit waren eine Reihe weiterer Konzerte von Josef Schelb in Karlsruhe geplant, wie der Badische Beobachter Nr. 282 vom 12. Oktober 1928 unter der Rubrik Veranstaltungen schrieb. Dass Josef Schelb inzwischen zahlreiche berufliche Verpflichtungen übernommen hatte und zudem eine Tournee nach Spanien plante, zeigte ein Hinweis in der Badischen Presse Nr. 532 vom 13. November 1928 unter der Rubrik Voranzeigen der Veranstalter:
„Josef Schelb, der geschätzte Pianist und Lehrer am badischen Konservatorium, hat den Beginn seines Klavierabend-Zyklusses verlegen müssen, da er den ehrenvollen Antrag erhielt, den berühmten Violinvirtuosen Juan Manén, mit dem er diesen Sommer in Südamerika war, auf einer mehrwöchigen Konzertreise durch Spanien zu begleiten.“
Weitere Konzerte und eine Tournee nach England folgten, wie im Karlsruher Tagblatt Nr. 336 vom 4. Dezember 1928 unter der Rubrik Veranstaltungen / Juan Manén nachzulesen war:
„Juan Manén, der berühmte spanische Meister des Geigenspiels, hat sich seit 2 Jahren in Karlsruhe eine große Anhängerschaft erspielt. Die Konzertdirektion Kurt Neufeldt wird den großen Künstler daher auch jetzt alljährlich nach Karlsruhe bringen, in diesem Winter ist sein Konzert auf Mittwoch, 12. Dezember Eintrachtsaal gelegt. Sein jetziger ständiger Klavierpartner ist Josef Schelb, der feinsinnige Karlsruhe Pianist, mit dem Professor Manén bereits Turneen durch Südamerika und Spanien absolviert hat, und der ihn in den nächsten Tagen auch nach Berlin und England begleiten wird. Als Hauptwerk des Karlsruher Konzertes wurde das große Spanische Violin-Konzert von Manén angesetzt, das der Künstler hier noch nicht gespielt hat, da der unerhört schwierige und heikle Klavierpart nur von einem Pianisten durchzuführen ist, der schon oft mit Manén konzertiert hat, wie dies jetzt bei Josef Schelb zutrifft. – Wie uns die Konzertdirektion Kurt Neufeldt mitteilt, ist der Vorverkauf erfreulich rege.“
Links: Juan Manén (links) und Josef Schelb (rechts) auf einer Konzerttournee um 1929. Foto: Privatbesitz
Rechts: Eintrag in ein Gästebuch der Konzertdirektion Neufeldt zu dem Konzert am 12. Dezember 1928. Badische Landesbibliothek, K 3283,4
Wirken an der neu entstandenen Badischen Hochschule für Musik
Die 1920er Jahre brachten gegen Ende des Jahrzehnts eine bedeutende Änderung für Josef Schelb bezüglich seiner Lehrtätigkeit mit sich: Aus dem Badischen Konservatorium entstand eine neue Einrichtung, die Badische Hochschule für Musik. Informationen dazu fanden sich in der Karlsruher Zeitung Nr. 26 vom 31. Januar 1929 unter der Rubrik Badische Hochschule für Musik:
„Die badische Regierung hat dem von Franz Philipp geleiteten Konservatorium für Musik als staatlich anerkannter Anstalt den Titel ‚Badische Hochschule für Musik‘ verliehen. Diese Verfügung geht auf Verordnungen des Unterrichtsministers im letzten Jahre zurück, wonach die Ausbildung der Musiklehrer der Fürsorge und Kontrolle des Staates zu unterstellen war.“
Im Karlsruher Tagblatt Nr. 32 vom 1. Februar 1929 folgten weitere Einzelheiten zur neuen Hochschule und insbesondere auch zu ihrer Geschichte seit 1815 unter dem Titel Bad. Hochschule für Musik. Erhebung des Badischen Konservatoriums für Musik in Karlsruhe. Alte Wege und neue Ziele. Die neuen Entwicklungen unter dem Direktor Franz Philipp ab dem Jahr 1924 wurden wie folgt beschrieben:
„Nach dem Ableben Ordensteins ersetzte ihn Professor Heinrich Kaspar Schmid in den Jahren 1921–1924, dem wiederum Direktor Franz Philipp als Leiter des nunmehrigen Bad. Konservatoriums nachfolgte. Der Initiative dieses tatkräftigen Führers ist wesentlich die auffallende Aufwärtsentwicklung zuzuschreiben, die das Bad. Konservatorium in den letzten Jahren genommen hat. Der Anstalt wurde eine Badische Orgelschule angeschlossen, weitere Fächer wurden angebaut, so daß die Anstalt heute als einheitliches Ganze vor uns steht, als eine Musikbildungsanstalt im reinsten Sinne dieses Wortes, welche sich zur Aufgabe gesetzt hat, auf allen Gebieten der Musikerziehung unter Beachtung der mordernsten wissenschaftlichen Ergebnisse Vollwertigstes zu leisten. Als unmittelbare Folgeerscheinung dieser allen Ansprüchen genügenden Leistungsfähigkeit ist wohl die Verordnung der Regierung zu betrachten, die der Oberstufe des Bad. Konservatoriums mit sofortiger Wirkung die Bezeichnung ‚Bad. Hochschule für Musik‘ verliehen hat.“
Da Josef Schelb in der Oberstufe unterrichtete, gehörte er damit der neuen Badischen Hochschule für Musik an. Einen Einblick vom neuen Arbeitsplatz Josef Schelbs gab ein Artikel in der Zeitung Akademische Mitteilungen: amtliches Mitteilungsblatt der Technischen Hochschule Fridericiana Nr. 1 vom 20. April 1929:
„So hat sich die Bad. Hochschule für Musik dank der unermüdlich tätigen Initiativkraft seines Direktors Franz Philipp innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit zu einer Bedeutung aufgeschwungen, welche mit den gleichartigen Anstalten des Reiches unbedingt auf derselben Stufe rangiert; wir hegen die bestimmte Erwartung, daß dieses Institut noch mehr als bisher das Musikleben der Stadt Karlsruhe und des ganzen Landes entscheidend beeinflussen und zu höchsten Entwicklungen führen wird, wir sind weiterhin überzeugt, daß alle künftigen bedeutenden badischen Künstler und Musikerzieher den vorbildlich aufgebauten Lehrgang der Bad. Hochschule für Musik durchlaufen haben müssen.
Eine große Anziehungskraft wird künftighin auch das prächtige Hochschulgebäude ausüben, in welches das Institut vor einigen Tagen übergesiedelt ist, nachdem die Stadt Karlsruhe das einzigartig schöne frühere Bürklinsche Palais in der Kriegsstraße käuflich erworben hatte. Dieses Gebäude, dessen äußerer Anblick schon höchst imposant wirkt, enthält glänzend ausgestattete und geräumige Unterrichtszimmer sowie einen künstlerisch ausgeführten Konzertsaal, in welchem künftighin sämtliche Anstaltskonzerte stattfinden werden, und welcher wahrscheinlich auch bedeutenden, hier konzertierenden Künstlern von auswärts oft besuchte Wirkungsstätte sein wird.“
Links: Badische Hochschule und Konservatorium für Musik, Musikfestsaal
Rechts: Badische Hochschule und Konservatorium für Musik in der Kriegsstraße (ehem. Palais Bürklin). Ausgabe der Akademischen Mitteilungen vom 20. April 1929. – zum Digitalisat
1936 heiratete Josef Schelb seine ehemalige Klavierstudentin Lotte Schuler, die später als Sopranistin und Konzertsängerin viele seiner Lieder aufführte. Der gemeinsame Sohn Albert Viktor wurde 1939 in Baden-Baden geboren. Mit kriegsbedingten Unterbrechungen arbeitete Josef Schelb bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1958 als Dozent und Professor für Klavier, später auch für Komposition und Instrumentation an der Badischen Hochschule für Musik. Er starb 1977 in Freiburg, seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Freiburger Hauptfriedhof.
Dr. Albert Schelb, der Sohn des Komponisten, übergab in den Jahren 2008 und 2009 den Nachlass seines Vaters an die Badische Landesbibliothek. Der Nachlass steht damit der Forschung und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung.
Literatur
- Margot Eisenmann-Eschenbacher: Der Komponist Josef Schelb. Frankfurt am Main u.a.: Lang, 2001. (Karlsruher Beiträge zur Musikwissenschaft; 5)
- Schluss-Konzerte 1929: [Vortragsfolge der öffentlichen Prüfungskonzerte 1929; Programmheft] / Badische Hochschule und Konservatorium für Musik Karlsruhe. Karlsruhe: Ferd. Thiergarten (Bad. Press), [1929].