Internationaler Tourismus
Anfänge moderner Reiseführer
Im 19. Jahrhundert, als sich durch gesellschaftliche Veränderungen zunehmend größere Teile des Bürgertums individuelle Vergnügungsreisen leisten konnten, entstanden die modernen Reiseführer. Davor finden sich in der Reiseliteratur vor allem Berichte einzelner Autorinnen und Autoren, die die Erlebnisse ihrer Bildungsreisen mit einer interessierten Leserschaft teilten, oder wissenschaftliche Beschreibungen wie die von Alexander von Humboldt (1769–1859).
Friedrich Justinian von Günderode: Beschreibung einer Reise durch den kleinen Theil des Schwarzwaldes, welcher unterschiedene Gesundbrunnen, Bäder und die Handelsstadt Calb enthält
Frankfurt am Main: 1781, Badische Landesbibliothek, 121 E 3197 R
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Dieser frühe Reisebericht des aus Gießen stammenden Juristen, Regierungsrates und Schriftstellers Friedrich Justinian Freiherr von Günderode (1747–1785) beschreibt in sechs Briefen an einen Freund die Heilbäder und Kurorte eines Teils des Schwarzwaldes. Ab 1778 war er Markgräflich Badischer Kammerherr, Hof- und Regierungsrat in Karlsruhe. Er veröffentlichte zahlreiche Reiseberichte in Form von Briefen, so beispielsweise auch über eine Reise durch Frankreich, England und Holland.
Georg von Seydlitz: Neuer Wegweiser durch den Schwarzwald
Freiburg im Breisgau: 1870, Badische Landesbibliothek, 98 B 76344
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Wie in der Einleitung beschrieben, reiste der Autor Georg von Seydlitz mehrmals in den Schwarzwald und verbrachte dort einen ganzen Sommer, um der Leserschaft ein „recht praktisch brauchbares, gedrängtes, und doch vollständiges Handbüchlein zu verschaffen, das ihm ein treuer Begleiter, Auskunftertheiler und Wegeweiser“ (S. IX) würde. Der mehr als 260 Seiten umfassende Reiseführer beschreibt verschiedene Ausflugsrouten durch die gesamte Schwarzwaldregion und gibt Hinweise, über welche „Eintritts-Route“ der Reisende von ganz Deutschland aus zum Schwarzwald gelangt.
F. Güther: Reliefkarte vom hohen Schwarzwald
Freiburg i. Br.: 1891, Badische Landesbibliothek, O 60 A 444
Die Reliefkarte im Maßstab 1:52.500 enthält neben den gängigen Verkehrswegen auch „empfehlenswerte Touristenwege“, die in Rot eingezeichnet sind. Am Rand des Gebirges liegt die Stadt Freiburg im Breisgau; dies verweist darauf, dass mit dem „hohen Schwarzwald“ der heutige Hochschwarzwald gemeint sein dürfte. Neustadt am Titisee ist an der äußersten rechten Kante der Karte gerade noch abgebildet. Gedruckt wurde die Karte von der lithografischen Anstalt Louis Geissendörfer in Karlsruhe.
Karl Baedeker: Schwarzwald, Odenwald, Bodensee – Handbuch für Reisende
Reiseführer des Baedekers-Verlages aus den Jahren 1911, 1927 und 1956, Badische Landesbibliothek
88 A 51703, 108 A 60029, O62 A 406
Zu den bekanntesten Reiseführern zählen die Veröffentlichungen des Baedeker-Verlages in Koblenz und Leipzig, der erstmals 1835 einen Band zu einer Reise am Rhein herausbrachte. Die Publikationen im praktischen Taschenformat mit ihrem charakteristischen roten Einband wurden schnell zum Synonym für die Gattung des Reiseführers schlechthin. In sachlichem Ton und kompakter Form fassen sie die wichtigsten Informationen zu einem Reiseziel zusammen und ermöglichen dank großzügiger Karten die Orientierung der Reisenden. In den 1920er-Jahren brachte Baedeker die ersten Reiseführer zum Schwarzwald heraus und richtete sich mit den fremdsprachigen Ausgaben an ein internationales Publikum.
Ernst Ruppert / Philipp Bussemer: Eduard Gaeblers großer Führer vom Schwarzwald
Leipzig: 1928, Badische Landesbibliothek, 121 E 1021
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Wie der Blick durch ein Guckloch öffnet sich der Blick auf eine typische Schwarzwaldhütte, die inmitten von Tannen vor einer Berglandschaft steht. Der von Ernst Ruppert auf Grundlage von Philipp Bussemers (1855–1918) Beschreibungen erstellte Reiseführer enthält neben zahlreichen Illustrationen eine Übersichtskarte des Schwarzwaldes im Maßstab 1:400.000, fünf Spezialkarten der wichtigsten Wandergebiete 1:200.000 sowie eine Karte der Eisenbahnverbindungen. Philipp Bussemer gilt als einer der ersten Skifahrer im Schwarzwald und war Vorstandsmitglied in der Ortsgruppe Baden-Baden des Schwarzwaldvereins.
Deutschland-Bildhefte: Der Schwarzwald
Die Reihe Deutschland-Bildheft erschien bei der Universum Verlagsanstalt in Berlin von 1933 bis 1940. Die preiswerten Broschüren, die für 20 Pfennig erworben werden konnten, sollten mit ihren zahlreichen Abbildungen die verschiedenen Regionen des Deutschen Reiches vorstellen, bekannt machen und den Anreiz geben, ein persönliches „Sammelwerk der deutschen Heimat“ aufzubauen. Bereits zum Start der Reihe im Frühjahr 1933 gab es Hefte zu 250 Orten und Regionen. Die dreisprachigen Hefte mit deutschen, englischen und französischen Texten wurden vom Bund Deutscher Verkehrsverbände unter dem Slogan „Lernt Deutschland kennen!“ herausgegeben.
Berlin: 1933, Badische Landesbibliothek, 121 H 311
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Berlin: 1933, Badische Landesbibliothek, 121 H 310
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Berlin: 1933, Badische Landesbibliothek, 121 H 307
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Oskar Haffner: Die Kurorte und Sommerfrischen Badens und des gesamten Schwarzwaldes
Freiburg im Breisgau: 1911, Badische Landesbibliothek, O46A 42
Oskar Haffner verfasste mehrere Reiseführer zum Schwarzwald, zu Wanderungen in der unmittelbaren Umgebung von Freiburg und veröffentlichte eine Geschichte zur Ortsgruppe Freiburg des Schwarzwaldvereins. Mit diesem Reiseführer richtete er sich an „Ärzte und Heilbedürftige“, wie der Titel verrät. Baden war bereits im ersten Jahrhundert nach Christus, als die Römer dort siedelten, für seine Heilbäder und Quellen bekannt. Bis heute ist die Region das Ziel vieler Erholung suchender Wellnessgäste.
Carl Borromäus Alois Fickler: Der Schwarzwald, der Odenwald, Bodensee und die Rheinebene
Heidelberg: 1858, Badische Landesbibliothek, O61 A 283
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Dieses umfangreiche, mehr als 200 Seiten umfassende Handbuch für Reisende enthält vier Reisekarten, acht Ansichten und zwei Panoramen im Farbendruck. Eines zeigt die weite Landschaft um Baden-Baden aus der Perspektive des Alten Schlosses. Autor des Werkes ist der Historiker Carl Alois Fickler (1809–1871), der auch als Verteidiger der Angeklagten der Badischen Revolution 1849 in Rastatt bekannt ist. Im Vorwort beschreibt der Heidelberger Verleger Adolph Emmerling (1810–1890) die Vorzüge des Reisens mit der Eisenbahn.
Gäste aus aller Welt
Die Kulturregion Schwarzwald erwies sich durch die besondere geografische Lage in unmittelbarer Nähe zu Frankreich und der Schweiz als ideales Urlaubsziel für ein internationales Publikum. Hinzu kamen individuelle Initiativen wie beispielsweise durch den britischen Reiseanbieter Thomas Cook, der bis 1914 den Badischen Schwarzwaldverein mit finanziellen Zuschüssen unterstützte und Pauschalreisen in den Schwarzwald organisierte.
Eine wichtige Rolle bei der Vermarktung der Region für ein internationales Publikum spielten die Plakate und Werbemotive des Grafikers Willy Dzubas (1877– 1947), der zum Beispiel das Motiv des fahrenden Dampfzugs inmitten einer typischen Schwarzwaldlandschaft entwickelte.
Willy Dzubas (1877–1947): Deutschland im Schwarzwald, ca. 1929
Deutschland im Schwarzwald, ca. 1929
Reproduktion, 99 x 63 cm
Karlsruhe, Badisches Landesmuseum, 92 373
Germany, The Black Forest, ca. 1929
Reproduktion, 101,2 x 63,5 cm
Staatsgalerie Stuttgart, VII B/a 4
Das von dem Grafiker Willy Dzubas geschaffene Plakat setzt die landschaftsveränderte Architektur, die aufgrund des Streckenausbaus der Eisenbahnlinien
entstanden ist, eindrucksvoll in Szene. Die hohen Pfeiler des Ravenna-Viadukts der Höllentalbahn nehmen fast den gesamten Bildraum ein. Durch die Rundbögen hindurch öffnet sich der Blick auf eine Schwarzwaldhütte an einem Bachlauf in der Ortschaft Breitnau. Das 1926 erbaute Viadukt ist noch heute ein eindrucksvolles Bauwerk – besonders, wenn es während der Adventszeit rot beleuchtet wird. Die Plakate hingen im In- und Ausland in den Auskunftsbüros der Deutschen Reichsbahn, um den Schwarzwald als Urlaubsregion zu bewerben. Im Laufe der Jahre erzielten einige der Plakate in verschiedenen Sprachen Millionenauflagen.
Reichszentrale für Deutsche Verkehrswerbung e.V. (Hg.) Germania: Württemberg, la selva nera e il lago di Costanza / Reichsbahnzentrale für den deutschen Reiseverkehr (Hg.) Allemagne: le Pays de Bade et la Forêt-Noire
Germania: Württemberg, la selva nera e il lago di Costanza
Berlin: 1925
121 H 1198
Allemagne: le Pays de Bade et la Forêt-Noire
Berlin: 1936
114 H 861
Die Broschüren der Reichsbahnzentrale für den deutschen Reiseverkehr und des Vorgängervereins der Reichszentrale für Deutsche Verkehrswerbung e.V. hatten zum Ziel, den Reiseverkehr vom Ausland nach Deutschland zu fördern. Besonderen Wert wurde auf die grafische Gestaltung gelegt. Das von Willy Dzubas (1877–1947) entwickelte Plakatmotiv des Ravenna-Viadukts der Höllentalbahn wurde auch für diesen französischsprachigen Werbeprospekt genutzt. Der Maler Richard Friese (1854–1918) schuf das Motiv des italienischen Prospekts, das Württemberg, den Schwarzwald und den Bodensee vorstellt. Zu sehen ist Schloss Lichtenstein am Albtrauf der Schwäbischen Alb, ein Märchenschloss aus dem 19. Jahrhundert, das eine fiktive Reise in die Vergangenheit erlaubt, ohne zugleich authentisch zu sein.
Charles Lallemand: La Forêt Noire – études, impressions & voyages sur les bords du Rhin
Paris: 1866, Badische Landesbibliothek, 81 B 316 RB
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Der aus Straßburg stammende Journalist und Zeichner Charles Lallemand (1826–1904) ist vor allem als Herausgeber der Bäder-Zeitschrift Le Mercure de Bade und für seine Illustrationen badischer Trachten bekannt. Gemeinsam mit dem englischen Fotografen Ludovico Wolfgang Hart (1836–1919) bereiste er das Elsass, Baden und Württemberg und dokumentierte die lokale Tracht der Landbevölkerung. Zahlreiche der Abbildungen in diesem Reiseführer stammen wohl von dieser Rundreise.
Fernand Gueymard: Au Pays de Kirschwasser – Bade et la Forêt Noire
Paris: 1882, Reproduktion, Badische Landesbibliothek, O53 A 79
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Das deutschsprachige Wort „Kirschwasser“ im Titel dieser Publikation (auf Deutsch „Im Land des Kirschwassers. Baden und der Schwarzwald“) war sicherlich für die französischsprachige Leserschaft leicht verständlich. So verweist „le kirsch“ auf einen Obstbrand aus der Vogelkirsche. Der belgische Schriftsteller Camille Lemonnier (1844–1913) lobt in seiner Einleitung den intimen Charakter der Beobachtungen des Autors. Im Gegensatz zu den bekannten Ausflugsschilderungen von Reiseverlagen wie dem Baedeker berichtet Fernand Gueymard in Briefform von seinen Reisen in Baden und dem Schwarzwald.
Forêt Noire badoise et wurtembourgeoise
Paris: 1910, Badische Landesbibliothek, O 56 A 486
Der kleine Reiseführer passte in jedes Reisegepäck. Unter Schirmherrschaft der badischen und württembergischen Eisenbahnverwaltungen entstand diese französischsprachige Publikation des Verlagshauses Guides pratiques Conty in Paris. Der Reiseführer ist in drei Teile gegliedert: Auf den weißen Seiten findet sich der beschreibende Text, die blauen Seiten informieren über praktische Angaben wie Hotelpreise und Kosten öffentlicher Verkehrsmittel und die roséfarbenen Seiten geben einen Überblick zu den Rundfahrten der wichtigsten Transportunternehmen. Illustrierende Karten und Stiche sowie ein Anzeigenteil vervollständigen das Angebot.
Cecil Eldred Hughes: A book of the Black Forest
London: 1910, Badische Landesbibliothek, O 68 A 130
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Dieser literarische Reiseführer ist das Ergebnis zahlreicher Urlaubsaufenthalte, die der Autor Cecil Hughes im Schwarzwald verbrachte. Schon das Inhaltsverzeichnis gibt einen Hinweis auf die Sprache, die der Autor für die Beschreibung wählt: Im Kinzigtal berichtet er vom Schiltacher Teufel, im Murgtal von Liebesfeen und in Baden-Baden von verbannten Glücksspielsüchtigen. Anstatt einer sachlichen Aufzählung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten oder Ausflugsziele liest sich dieser Reiseführer wie eine Urlaubserzählung eines guten Freundes.
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