Die Landesmutter Großherzogin Luise von Baden
Luise Großherzogin von Baden (1838–1923). Porträtgemälde von Franz Xaver Winterhalter 1856. Quelle: Wikimedia Commons
Ludger Syré (Gastautor) 21.4.2023 16.25 Uhr
DOI: https://doi.org/10.58019/vqfv-e176
Am 23. April 2023 jährt sich zum hundertsten Mal der Todestag der Großherzogin Luise von Baden (1838–1923). An der Seite ihres Mannes, Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907), füllte sie über 50 Jahre die Rolle der badischen Landesmutter aus und genoss im überwiegenden Teil der Bevölkerung Ansehen und Beliebtheit. Worauf lässt sich ihre Popularität zurückführen, was waren ihre nachhaltigen Verdienste?
Die frühen Jahre
Prinzessin Luise von Preußen wurde am 3. Dezember 1838 in Berlin geboren. Sie war die einzige Tochter von Prinz Wilhelm von Preußen, dem späteren Deutschen Kaiser Wilhelm I., und seiner Frau Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach. Ihr Vater war jener preußische Oberbefehlshaber, der mit seinen Truppen die Freischärler der Badischen Revolution 1848/49 vernichtend geschlagen und dem geflohenen badischen Großherzog Leopold die Rückkehr nach Karlsruhe ermöglicht hatte.
Gemeinsam mit ihrem älteren Bruder Friedrich Wilhelm, dem nachmaligen Deutschen Kaiser Friedrich III., wuchs Luise zunächst in Berlin auf. Als ihr Vater 1849 Militärgouverneur des Rheinlandes und Westfalens wurde, folgte ihm seine Familie ein Jahr später in das am Rheinufer gelegene Kurfürstliche Schloss nach Koblenz. Von dort aus kam Luise regelmäßig während der Sommermonate nach Baden-Baden, wo sich in dieser Zeit alles traf, was Rang und Namen hatte. 1855 wurde sie in der Charlottenburger Schlosskapelle konfirmiert, im gleichen Jahr feierte die Sechzehnjährige die Verlobung mit dem badischen Prinzregenten und Thronfolger Friedrich im Koblenzer Schloss. Am 20. September 1856 heiratete das Paar, dessen Altersunterschied zwölf Jahre betrug, im Berliner Stadtschloss.
Großherzog Friedrich I. von Baden und Großherzogin Luise von Baden. Das linke Foto ist ein Jugendbildnis des badischen Herrscherpaares, das rechte zeigt das Paar im Alter. AK-No. 776. Postkartenverlag Geschwister Moos Karlsruhe u. Genf1906. Lizenz: gemeinfrei. – zur Quelle
Titelseite des Karlsruher Tagblatts mit einem Preisgedicht anlässlich des Einzugs des Großherzogpaars in Karlsruhe am 27. September 1856. – zum Digitalisat
Wenige Tage später trafen Luise und ihr Mann, Großherzog Friedrich I. von Baden, in Karlsruhe ein, bevor sie zur Insel Mainau weiterfuhren, die Friedrich 1853 gekauft hatte. Überall wurden sie feierlich empfangen und willkommen geheißen, wie beispielsweise am 26. September 1856 in Mannheim, wo der Tanzmusiker F. A. Fery anlässlich des Einzugs in die Stadt den Friedrich-Luisen-Walzer komponierte, oder auch einen Tag später in Karlsruhe, wo das Karlsruher Tagblatt auf seiner Titelseite ein zehnstrophiges Preisgedicht auf das Großherzogspaar abdruckte.
Erste Notenseite des Friedrich-Luisen-Walzers von F. A. Fery anlässlich des Einzugs des Großherzogpaars in Mannheim am 26. September 1856. – zum Digitalisat
Soziales Engagement
Schon in jungen Jahren zeichnete sich Großherzogin Luise durch ihr sozialpolitisches Interesse aus. Ihre Mutter hatte sie früh für Verbesserungen in der Krankenpflege sensibilisiert, die damals schwerwiegende Mängel aufwies und eine Männerdomäne war. 1856 trat sie dem nach ihrer Schwiegermutter Großherzogin Sophie benannten, 1831 gegründeten Wohltätigkeitsverein bei, dessen Zweck die Armenfürsorge und die Krankenpflege waren. Vor dem Hintergrund des zweiten italienischen Unabhängigkeitskrieges 1859 regte sie die Bildung überkonfessioneller Frauenverbände an, die sich um die Krankenversorgung in Kriegen kümmern sollten. Zum Mutterhaus des Badischen Frauenvereins, der bereits im Gründungsjahr 1859 fast 100 Ortsvereine aufwies, wurde das Karlsruher Luisenhaus, die Keimzelle der späteren Badischen Schwesternschaft vom Roten Kreuz. Mit der Kranken- und der Kinderpflege tat sich zu dieser Zeit ein neues, dem gewandelten Idealbild der Frau entsprechendes Berufsfeld auf. Auf der Grundlage einer soliden Ausbildung erwuchs mit der Etablierung des Berufs der Krankenschwester eine neue Erwerbsmöglichkeit für ledige bürgerliche Frauen. Der Frauenverein bot zudem Kurse in Hauswirtschaft an, führte in den Wintermonaten Wanderkochkurse durch und richtete lokale Hauswirtschaftsschulen ein.
So bedeutsam der Badische Frauenverein gewesen ist, der im 19. Jahrhundert zum größten badischen Verein heranwuchs und 1919 rund 94.000 Mitglieder zählte: Seine Tätigkeit blieb auf die praktizierte Sozialpolitik beschränkt; frauenpolitische Ambitionen verfolgte er nicht, den Kampf um die Gleichberechtigung der Frau schrieb er nicht auf seine Fahnen.
Die Luisenschwestern
Beobachtungen während des Krieges zwischen den italienischen Staaten und dem österreichischen Kaiserreich boten im Übrigen auch für den Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant Anlass, den Schutz der Versorgung Kriegsverletzter zu verbessern, beispielsweise durch die Kennzeichnung von Lazaretten. Zu den zwölf europäischen Staaten, die die aus der Konferenz von 1864 hervorgegangene erste Genfer Konvention unterzeichneten, gehörte auch Baden.
Dunants bewegende Schilderungen der Schlacht von Solferino hatte auch Luise gelesen. Auf ihre Initiative etablierten sich nach Ausbruch des Deutschen Krieges 1866 – der die preußische Prinzessin in Loyalitätskonflikte brachte, weil die badischen Truppen auf Seiten Österreichs gegen die Preußen kämpften, bevor sie nach bewährtem Muster auf die Seite des Siegers von Königgrätz umschwenkten – die Luisenschwestern. Sie bildeten eine eigenständige Teilorganisation des Deutschen Roten Kreuzes, im Kriegsfall zuständig für den Sanitätsdienst an der Front.
1871 erhielt Luise den Olga-Orden, mit dem der König von Württemberg Frauen ehrte, die sich im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 bei der Pflege verwundeter Soldaten ausgezeichnet hatten. Auch während des Ersten Weltkriegs entwickelte der Badische Frauenverein entsprechendes Engagement; er mobilisierte mehrere hundert Schwestern für das deutsche Heer. Seine Gründerin, die badische Großherzogin, die sich im Laufe der Zeit umfangreiches medizinisches Wissen angeeignet hatte, wurde 1917 von der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg für ihren Einsatz im Dienst der Gesundheitspflege zum Ehrendoktor ernannt.
Luise als Förderin der Künste
Luises Interesse erschöpfte sich freilich nicht im sozialpolitischen Engagement. Unter der Schirmherrschaft der Landesfürstin wurde 1885 in Karlsruhe eine Malerinnenschule eröffnet. Da Frauen zur 1854 gegründeten Großherzoglich Badischen Kunstschule, der späteren Akademie der Bildenden Künste, keinen Zutritt hatten, mussten sie auf private Malschulen ausweichen. Luise sorgte dafür, dass die kunstinteressierten und talentierten Künstlerinnen in eigenen Räumlichkeiten arbeiten konnten.
Familie und die späteren Lebensjahre
Aus Luises Ehe mit Friedrich gingen drei Kinder hervor. Der älteste Sohn (1857–1928), der wie sein Vater Friedrich hieß, wurde 1907 Großherzog von Baden und war seit 1885 mit Hilda von Nassau (1864–1952) verheiratet. Ihre Tochter Viktoria (1862–1930) heiratete den Kronprinzen von Schweden und Norwegen, der 1907 als Gustav V. (1858–1950) schwedischer König wurde.
Titelseite der Karlsruher Zeitung mit der Abfolge der beteiligten Gruppierungen beim großen Festzug anlässlich der Silbernen Hochzeit von Luise und Friedrich von Baden am 21. September 1881. – zum Digitalisat
Die Hochzeit von Viktoria und Gustav, die zeitgleich mit der Silbernen Hochzeit von Luise und Friedrich gefeiert wurde, bescherte Karlsruhe und dem ganzen badischen Land im September 1881 eine Festwoche, die zum Maßstab für spätere Jubiläumsfeiern wurde; besonders der historische Festzug, der künstlerisch festgehalten wurde, dürfte vielen Schaulustigen in Erinnerung geblieben sein. Eine ungefähre Größenordnung lässt sich die Karlsruher Zeitung vom 21. September 1881 entnehmen, die für den einen Tag später stattfindenden Festzug die Abfolge der beteiligten Gruppierungen abdruckte. Von ihrem kinderlos gebliebenen Bruder erbte Viktoria 1928 die Insel Mainau, die seitdem in schwedischem Besitz ist.
Großherzogliche Grabkapelle zu Karlsruhe. Foto von Ludger Syré.
Ihr jüngerer Sohn Ludwig Wilhelm, der in Heidelberg studierte und zuletzt in Freiburg lebte, verstarb 1888 im Alter von knapp 23 Jahren. Sein Tod war nicht der einzige private Schicksalsschlag, den die Großherzogin 1888 ereilte. In jenem Jahr starben im März in Berlin ihr Vater, Kaiser Wilhelm I., und im Juni in Potsdam ihr Bruder Fritz, der als Kaiser Friedrich III. nur 99 Tage regierte. Angesichts des frühen Todes ihres Sohnes ließen die Eltern im Fasanengarten in Sichtweite des Karlsruher Schlosses die Großherzogliche Grabkapelle bauen; sie sollte ihnen die Möglichkeit des ungestörten Trauerns geben. In der Gruft unter der Kapelle, die zum neuen Bestattungsort für die verstorbenen Mitglieder des Fürstenhauses wurde, sind später auch der Großherzog und seine Frau beigesetzt worden. Friedrich verstarb am 28. September 1907 auf der Insel Mainau; Luise am 23. April 1923 in Baden-Baden, wo sie in ihren letzten Lebensjahren wohnte.
Die beiden prachtvollen Grabmäler aus weißem Carrara-Marmor mit lebensgroßen Figuren von Großherzog Friedrich I. von Baden und seiner Gemahlin Prinzessin Luise von Preußen. Foto von Thomas Steg 2006. Lizenz: CC BY-SA 2.5. Quelle: Wikimedia Commons
Von der Monarchie zur Republik in Baden
Großherzogin Luise übte nicht nur die Rolle der fürstlichen Landesmutter aus, sie stand auch persönlich und politisch fest hinter der monarchischen Ordnung. Am Ende des Ersten Weltkriegs verschloss sie die Augen vor der offensichtlichen Kriegsmüdigkeit ihrer Untertanen; den sich anstauenden Volkszorn gegen die Regierenden wollte sie partout nicht sehen. Aus Luises privaten Aufzeichnungen lässt sich herauslesen, welch großer Schock der Untergang der alten Ordnung für sie gewesen ist. Das Auftauchen bewaffneter Soldaten vor dem Karlsruher Schloss im November 1918, der würdelose Abgang der großherzoglichen Familie durch ein Kellerfenster des Schlosses, die hastige Flucht aus der Residenz in zwei Autos nach Zwingenberg am Neckar, das Erscheinen des Vorsitzenden der Provisorischen Regierung Badens, des SPD-Politikers Anton Geiß, im Zwingenberger Schloss – all das empfand sie als große Schmach. Und als dann die neuen, demokratischen Machthaber auf Schloss Langenstein im Hegau ihren Sohn, Großherzog Friedrich II., zur Abdankung drängten und diesem schließlich nichts anderes übrigblieb, als per Urkundenunterschrift ein für alle Mal auf den Thron zu verzichten, erlebte sie den Vorgang als „Gefühl der Vernichtung“.
Ihre Tragik bestand darin, dass sie den Wechsel von der Monarchie zur Republik weder wahrhaben wollte noch akzeptieren konnte. Sie konnte ja schließlich nicht voraussehen, dass die Vertreter der neuen Ordnung so glimpflich mit den Vertretern des alten Systems umgehen würden.
Skulptur Luise von Baden von Sybille Onnen im Stadtgarten. Foto von Roland Sand 2017. Lizenz: CC BY-NC-SA 2.5. – zur Quelle
Luise von Baden heute
Die Erinnerung an Luise von Baden ist bis heute wach geblieben. Dies zeigen einige Beispiele: In Karlsruhe (und Bruchsal) erinnert an sie die Luisenstraße; im Karlsruher Stadtgarten befindet sich eine Skulptur, deren Sockel rote Kreuze zieren; vor dem Schloss auf der Insel Mainau steht eine Büste Luises; die Badische Schwesternschaft vom Roten Kreuz e.V. führt noch stets den Beinamen Luisenschwestern; und in Mannheim trägt eine der – nach eigenen Angaben – schönsten Gartenanlagen Europas ihren Namen. Anlässlich Luises 58. Geburtstags 1896 schenkte ihr die Stadt Mannheim einen großen, wenige Jahre zuvor angelegten Landschaftspark und taufte ihn auf den Namen Luisenpark.
Die einstige Großherzogin scheint auf Autorinnen und Autoren bis heute eine gewisse Faszination auszuüben; schaut man nämlich in die Landesbibliographie von Baden-Württemberg, dann zeigt sich: Über keine andere badische Großherzogin ist so viel geschrieben worden wie über Luise von Baden. Mit der Veröffentlichung dieses Blogtextes hat sich die Zahl der Publikationen um eine weitere erhöht.
Großherzogin Luise von Baden