Die „Konstantinische Schenkung“ und der Nachweis ihrer Fälschung im 15. Jahrhundert

Darstellung der Konstantinischen Schenkung auf einem Fresko von 1246, Silvesterkapelle bei der Basilika Santi Quattro Coronati in Rom, Quelle: Wikipedia.

Henning Ohst, 12.3.2025

DOI: https://doi.org/10.58019/A266-W278

Etwa um das Jahr 315 n.Chr. liegt der römische Kaiser Konstantin († 337) schwer erkrankt darnieder: Ein Ausschlag überzieht seinen Körper, kein Arzt weiß Rat, er ist dem Tod nahe. Heidnische Priester schlagen vor, der Kaiser solle ein Bad im Blut unschuldiger Kinder nehmen; es werden Kinder herbeigebracht, doch berühren den Kaiser die Tränen der Mütter, und er unterbindet den grausigen Therapieversuch. Des Nachts erscheinen ihm im Traum die christlichen Apostelfürsten Petrus und Paulus. Sie loben seine Barmherzigkeit und verraten ihm, wie er wieder gesund werden könne: Er möge sich an den vor der Verfolgung aus der Stadt geflohenen Bischof von Rom Silvester († 335) wenden und sich von ihm taufen lassen. Konstantin beherzigt den Rat, lässt sich taufen, bekennt als erster römischer Kaiser den christlichen Glauben – und wird wieder gesund. Zum Dank gewährt er Bischof Silvester (und allen seinen Nachfolgern) einen Vorrang vor allen übrigen Patriarchen der Kirche; außerdem erhält Silvester den kaiserlichen Palast in Rom, die kaiserlichen Insignien und Privilegien und die weltliche Herrschaft über Italien und den Westen des Römischen Reiches; Konstantin selbst wird sich in den Osten des Reiches zurückziehen und dort eine nach ihm benannte Stadt gründen: Konstantinopel.

So steht es in einer in verschiedenen Abschriften überlieferten Urkunde, auf die sich Päpste ab dem Hochmittelalter immer wieder bezogen haben, um eigene Interessen durchzusetzen – kirchenintern, in Auseinandersetzung mit weltlichen Herrschern im lateinischen Westen und auch in Konflikten mit dem Patriarchen von Konstantinopel als dem höchstrangigen Bischof der Kirche des Ostens. In der auch als Constitutum Constantini bekannten Urkunde waren territoriale Ansprüche und die kirchliche Hierarchie schließlich klar, deutlich und für alle Zeiten im Sinne der Bischöfe von Rom geregelt. Nur: Wenn etwas zu schön klingt, um wahr zu sein – dann ist es meist nicht wahr. Und so verhält es sich auch hier. Dass mit der Urkunde etwas nicht stimmen könnte, ist bereits im Mittelalter einigen Lesern aufgefallen. Im 15. Jahrhundert und im Zuge des beginnenden Renaissance-Humanismus steigt dann das gelehrte Interesse an der Urkunde und dem Schenkungsakt, den sie zu belegen scheint.

Der deutsche Gelehrte Nikolaus von Kues (1401–1464) arbeitete 1433 in seiner Concordantia catholica heraus, dass sich die Schenkung in anderen spätantiken Quellen nicht nachweisen lasse und meldete somit, wenn auch vorsichtig, Zweifel an ihrer Echtheit an.

Den entscheidenden Schritt zum Nachweis der Fälschung ging 1440 der italienische Humanist Lorenzo Valla (1406–1457) in einer Abhandlung mit dem Titel De falso credita et ementita Constantini donatione („Über die Konstantinische Schenkung, der man zu Unrecht geglaubt hat und die erlogen ist“). Valla betont, dass Konstantin als römischer Kaiser gar nicht das Recht gehabt habe, eigenmächtig seiner Herrschaft (oder Teilen davon) zu entsagen. Ähnlich wie Nikolaus von Kues, dessen Abhandlung er offenbar nicht gekannt hat, verweist auch er auf das Fehlen von Spuren der Schenkung in sonstigen spätantiken und frühmittelalterlichen Quellen. Vor allem untersucht er aber den Urkundentext Satz für Satz und weist nach, dass dieser aus sprachlichen und inhaltlichen Gründen nicht im frühen 4. Jahrhundert geschrieben worden sein kann. So könne es zum Beispiel nicht sein, dass Kaiser Konstantin an einer Stelle der Urkunde das Patriarchat von Konstantinopel erwähnt und an anderer Stelle die Gründung der nach ihm benannten Stadt ankündigt; die Angaben widersprechen einander und sind auch jeweils für sich genommen anachronistisch: Das spätere Konstantinopel hieß im Jahr 315 noch Byzantion, wurde von Konstantin 330 in Nova Roma, also Neu-Rom, umbenannt und erhielt die Benennung nach dem Kaiser erst später, nach dessen Tod. Auch wenn Vallas Ausführungen bahnbrechend waren, erschienen sie offenbar erst 1506 im Druck.

Im Herbst 2024 hat die Badische Landesbibliothek einen etwas später, wahrscheinlich 1520 in Basel gedruckten Band erworben, der verschiedene Texte zur Debatte um die Konstantinische Schenkung beinhaltet.

Neben der Abhandlung Vallas und dem einschlägigen Auszug aus des Cusaners Concordantia Catholica enthält der Band auch Bartolomeo Picernis (etwa 2. H. 15 Jh.–1. H. 16. Jh.) lateinische Übersetzung einer griechischen Fassung des Constitutum Constantini mit einer von ihm verfassten Widmung an Papst Julius II. (1443–1513; Pont. 1503–1513). Pincerno meinte, eine so alte griechische Version beweise, dass die Urkunde echt sein müsse und Valla sich geirrt habe. Außerdem bietet der Band noch einige weitere kurze Auszüge aus anderen Texten zu der Debatte, darunter eine Vorrede des Herausgebers, des Humanisten Ulrich von Hutten (1488–1523), zu der Schrift Vallas. Was dieses Exemplar des bereits an sich überaus seltenen Bandes einzigartig macht, sind u. a. die handschriftlichen Bemerkungen über Leben und Werk Vallas in lateinischer Sprache, die ein Vorbesitzer in den Band eingetragen hat (Abb. 2): Es handelt sich dabei um ein erweitertes Zitat aus Konrad Samuel Schurzfleischs Introductio in notitiam scriptorum, die 1736/37 erschienen ist.

Abb. 2/3: Donationis quae Constantini dicitur privilegium ... [Basel] : [1520], BLB, 124 E 2800 R, Bl. B6v.

Abb. 2/3: Donationis quae Constantini dicitur privilegium ... [Basel] : [1520], BLB, 124 E 2800 R, Bl. C1r.

Insbesondere Lorenzo Vallas Abhandlung, die als eine ‚Gründungsurkunde‘ des Renaissance-Humanismus gilt, hat die Debatte um die Echtheit der Konstantinischen Urkunde entschieden; man geht heute davon aus, dass sie im 8. oder 9. Jahrhundert entstanden ist, entweder in Italien oder im Frankenreich. Freilich bleiben Fragen offen: Wer hat die Urkunde gefälscht und warum? War es, wie Valla meinte, einer der Päpste in dieser Zeit? Oder waren es politische Gegner Kaiser Ludwigs des Frommen (778–840; Kaiser von 813 bis 840), die die Stellung der Bischöfe im Frankenreich gegenüber dem Kaiser stärken wollten? Die Konstantinische Schenkung ist ein faszinierend-rätselhaftes Dokument, das die Forschung weiter beschäftigen wird.

 

Literatur:

  • Josef Benzing, Ulrich von Hutten und seine Drucker. Eine Bibliographie der Schriften Huttens im 16. Jahrhundert. Wiesbaden: Harrassowitz, 1956, S. 118–121.
  • Horst Fuhrmann (Ed.), Das Constitutum Constantini (Konstantinische Schenkung). Text. Hannover: Hahn, 1968 (MGH Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum separatim editi 10). – zum Volltext
  • Johannes Fried, Donation of Constantine and Constitutum Constantini. The Misinterpretation of a Fiction and its Original Meaning: With a Contribution by Wolfram Brandes. Berlin/New York: De Gruyter, 2007 (Millennium-Studien 3). – zum Volltext
  • Konrad Samuel Schurzfleisch, Conradi Samvelis Schvrzfleischii Polyhistoris Introdvctio In Notitiam Scriptorvm Variarvm Artivm Atqve Scientiarvm, Pars II. Wittenberg: Schwarz, 1736, S. 50–51. – zum Volltext
  • Wolfram Setz, Lorenzo Vallas Schrift gegen die konstantinische Schenkung. De falso credita et ementita Constantini donatione: Zur Interpretation und Wirkungsgeschichte. Tübingen: Niemeyer, 1975 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 44).
  • Wolfram Setz (Ed.), Lorenzo Valla. De falso credita et ementita Constantini donatione, Weimar: Böhlau, 1976 (MGH Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters). – zum Volltext

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