Der Rhein im Panorama
Laufzeit: 13. November 2002 – 1. März 2003
1825 bis heute
Die Badische Landesbibliothek zeigt kostbare, witzige, romantische und auch kitschige Rheinpanoramen aus einer Karlsruher Privatsammlung. Die Ausstellung passt damit genau in das Jahr der Rheinromantik 2002.
Gerade 200 Jahre ist es her, seit die Geburtsstunde der Rhein-Romantik schlug: Die Mischung aus Burgen und Ruinen in wilden Landschaften, verbunden mit mittelalterlicher Stimmung in Orten und Städtchen, schuf eine ganz eigene Atmosphäre. 1801 erschien das wohl berühmteste Volksgedicht, die Loreley von Clemens von Brentano. Im Sommer 1802 bereiste der Philosoph Friedrich Wilhelm Schlegel das Rheintal zum ersten Mal und betrachtete die Naturlandschaft zwischen Bingen und Bonn als einzigartiges Gesamtkunstwerk. Die erste Rheinreise Schlegels wurde unter anderem von der Deutschen Tourismuszentrale als Geburtsjahr der Rhein-Romantik gewählt.
Als „Rheinpanorama“ bezeichnet man eine Abbildung des Flussverlaufs auf einem langen, gefalteten Plan, auf dem alle Orte an seinen Ufern verzeichnet sind. Je nach Ausführung bereichern Reliefdarstellungen der Berge und Randbilder der Sehenswürdigkeiten links und rechts des Rheins diese Bildreiseführer. Durch die „Leporello-Faltung“ können Reisende immer die Sektion aufschlagen, durch die sie gerade fahren. Unter den Sammelbegriff „Rheinpanoramen“ fallen aber auch „Rheinlaufkarten“ mit Randbildern, Bildkarten (ohne Flusslauf) und Uferpanoramen (aus der Sicht eines fahrenden Schiffes). Kurze Beschreibungen in einem Begleitheft oder als Text im Panorama selbst ergänzen die Faltpläne.
Das „Ur-Panorama“ des Rheins stammt von der Frankfurter Künstlerin Elisabeth von Adlerflycht (1775–1846). Sie kam als erste auf die Idee, einen Teil des Flusses aus einer gleitenden Vogelperspektive darzustellen. Ihre farbige Zeichnung von 1811 wurde in Stuttgart 1822 unter dem Titel Das Rheinthal von der Mündung der Nahe bis zur Mündung der Mosel lithographiert und erregte großes Aufsehen. 1823 beauftragte der Frankfurter Verleger Friedrich Wilmans den Maler und Kupferstecher Friedrich Wilhelm Delkeskamp (1794–1872) mit der Aufnahme und Zeichnung der Rheinstrecke von Mainz bis Köln „in der Manier der Elisabeth von Adlerflycht“. Da der Künstler sein Werk, das 1825 als „Leporello“ gefaltet bei Wilmans erschien, Panorama des Rheins und seiner nächsten Umgebungen von Mainz bis Cöln nannte, bezeichnete man auch alle anderen in der Folgezeit auf dem Markt erscheinenden Faltpläne des Flusslaufes als „Panoramen“.
1837 hatte Friedrich Wilhelm Delkeskamp eine zündende Idee: Er stattete sein Panorama mit „Randbildern“ von Burgen und architektonischen Sehenswürdigkeiten aus. Dadurch erhöhte sich der Souvenirwert der Rheinpanoramen enorm. Kein Verlag konnte es sich künftig mehr leisten, ein Rheinpanorama ohne Randbilder herzustellen. Gerade diese immer wieder aktualisierten Randbilder machen die Ausstellung so spannend, sind sie doch Zeugen deutschen Zeitgeistes im 19. und 20. Jahrhundert.
Ihren großen Erfolg verdankten die Rheinpanoramen in erster Linie dem Massentourismus auf dem Rhein. Dieser wiederum entwickelte sich mit der regelmäßigen Dampferverbindung zwischen Mainz und Köln ab 1827 und dem Ausbau der Eisenbahnverbindungen. Bald gab es viele Verlage, die sich am Geschäft mit den Rheinpanoramen beteiligten. Im Laufe der Zeit entstanden unzählige Varianten. Die Beliebtheit dieser „Bild-Reiseführer“ hat sich bis heute erhalten.
Die graphischen Drucktechniken änderten sich natürlich auch im Laufe der Zeit: Waren die ersten Panoramen noch Lithographien oder in Kupfer gestochen, so eroberten sich die Stahlstich-Panoramen ab 1832 – mit dem ersten in Karlsruhe in Stahl gestochenen Delkeskamp-Panorama – den Markt. Ab 1870 dominierte dann die Photolithographie bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als erst der Vier-Farbendruck, dann der Mehrfarbendruck aufkam, der schließlich zu den heute gebräuchlichen Offset-Druckverfahren führte.
Diese Entwicklung – in inhaltlicher, graphischer sowie drucktechnischer Hinsicht – will die Karlsruher Ausstellung in der Badischen Landesbibliothek in etwa 90 Exponaten vermitteln.