Der „Gutsch-Fritzle“ und die Karlsruher Nachrichten

Michael Fischer 24.9.2022 12 Uhr

DOI: https://doi.org/10.58019/wkcw-y043

Heute vor 125 Jahren verstarb der Karlsruher Hofbuchdrucker, Mundartdichter und Publizist Friedrich Gutsch jun. (1838–1897) in seiner Geburtsstadt. 

Gutsch wurde am 30. November 1838 als jüngster Sohn des Buchdruckers Friedrich Gutsch sen. in Karlsruhe geboren. Nach dem Besuch einer höheren Schule nahm er eine Schreinerlehre auf, musste diese jedoch wenig später aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Anschließend wurde er in der väterlichen Druckerei als Buchdrucker ausgebildet, die er dann – nach einer Hospitanz im Verlag seines Onkels, dem Verleger C. R. Gutsch aus Lörrach, – zusammen mit seinem Bruder übernahm.

Bis heute ist er dort vor allem für die Herausgabe der 1870 von ihm gegründeten Karlsruher Nachrichten, dem „Specialorgan für Lokalangelegenheiten“, bekannt, deren Chefredakteur und eifriger Autor er war. Die Zeitung war eine einzigartige Mischung aus Kommentaren zur Lokalpolitik, boulevardesken Nachrichten, einem Anzeigenteil sowie Berichten über das Karlsruher Alltagsleben in badischer Mundart. Die Zeitung erschien zunächst zweimal in der Woche, ab August 1870, bei einer Auflage von ca. 5.000 Exemplaren, dann dreimal in der Woche. 

Auf welch einzigartige Weise sich darin Nachrichten aus dem Karlsruher Alltag mit lokaler – und hier: großer – Politik verbanden, mag die Berichterstattung über den Beginn des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 illustrieren. In der ersten Ausgabe nach der französischen Kriegserklärung (gegen Preußen) am 19. Juli 1870 verkündeten die Karlsruher Nachrichten, auch „von der Alles beherrschenden Zeitströmung mit ergriffen worden“ zu sein und zukünftig „neben den friedlichen Angelegenheiten unserer Residenzstadt auch die wichtigsten politischen Ereignisse zur Kenntnis seiner geneigten Leser“ zu bringen. Unter „Vermischtes“ wurde dieser Beitrag – typisch für die Karlsruher Nachrichten – durch eine Alltagsbegebenheit ergänzt: Dort war von „[k]indlichem Patriotismus“ zu lesen, der sich ereignet habe, als eine Mutter beim Zubettbringen des Sohnes mit diesem für die Erhaltung des Friedens beten wollte, der Sohn jedoch keck erwiderte: „Aber nicht wahr Mutter, zuerst müssen noch die Franzosen geklopft werden!“

Gemäß seinen Bündnisverpflichtungen und im Einklang mit der öffentlichen Meinung trat das Großherzogtum Baden auf Seiten Preußens in den Krieg gegen Frankreich ein. Mit feierlichen Worten wurden in einer der nächsten Ausgaben die ausrückenden Karlsruher Truppenteile der badischen Armee verabschiedet: „Deutschlands Söhne! Gleichwie der Morgenröthe Glanz zerstreut die grauen Nebel der Vergangenheit, so ist uns aufgegangen der herrliche Tag, der Tag der Verheißung eines freien, einigen Vaterlandes, der Tag an dem ihr berufen seid, in den Kampf zu ziehen […] Lüge und Vermessenheit.“

Die erste Schlacht im Deutsch-Französischen Krieg wurde am 4. August 1870 im nicht weit von Karlsruhe entfernten elsässischen Weißenburg geschlagen. Das Artilleriefeuer war bis nach Karlsruhe zu hören. Erstmals kämpfte dort ein gesamtdeutsches Heer unter der Führung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen und errang zugleich einen „glänzenden Sieg“: das französische Heer „vermochte dem gewaltigen Andrange des erwachten Deutschlands nicht zu widerstehen.“

Im Verlauf des Augusts rückten deutsche Truppen dann immer weiter nach Frankreich vor und führten mit dem Sieg in der Schlacht von Sedan am 1./2. September 1870 eine Vorentscheidung herbei. Hierbei konnten die deutschen Truppen sogar Kaiser Napoleon III. gefangen nehmen. Die Karlsruher Nachrichten kommentierten: „Frankreich ist besiegt, der Kaiser gefangen, das Heer vernichtet. […] Der alte Gott lebt noch! Er hat geholfen und ihm verdanken wir den Sieg, ihm und der Tapferkeit unserer deutschen Kämpfer, die unter seinem Segen in den heiligen Krieg zogen. […] Dank Preußens Heldenkönig, der frevelhaften Übermuth stolz von sich wies! Dank unserem Heer und seinen Führern! Dank ihm, dem edlen Geist, der das Gute beschützt und die Gemeinheit straft! Heil unserem Deutschland, Heil!“ Nach Ausrufung der Republik in Frankreich wurden die Kämpfe noch bis Anfang 1871 weitergeführt; der Krieg endete formal erst mit dem Frieden zu Frankfurt am 10. Mai 1871. 

Die hier ausgewählten kurzen Auszüge aus dem Jahrgang 1870 der Karlsruher Nachrichten drücken den damals allgegenwärtigen Patriotismus und Nationalismus aus, illustrieren zudem eindrücklich die Empörung über die französische Kriegserklärung sowie die Freude über die langersehnte nationale Einigung Deutschlands – und dies alles aus der Karlsruher Lokalperspektive. 

Noch populärer allerdings als für die politische Berichterstattung waren die Karlsruher Nachrichten bzw. Friedrich Gutsch für die mundartliche Kommentierung der unterschiedlichsten Karlsruher Alltagsbegebenheiten – oft in lyrischer Form. Der „Gutsch-Fritzle“ wurde mit seinen vielen Gedichten, von denen die meisten in den Karlsruher Nachrichten erschienen, zum „feinsinnigsten Virtuosen“ [1] der Karlsruher Mundart. 1876 erschien eine Sammlung seiner Gedichte unter dem Titel Aus Karlsruhe’s Volksleben.

1894 musste sich der umtriebige Gutsch aus gesundheitlichen Gründen von der Arbeit in der Chefredaktion der Karlsruher Nachrichten zurückziehen, was gleichzeitig das Ende der im Volksmund liebevoll „Gutsch-Blättle“ genannten Zeitung bedeutete. Friedrich Gutsch starb am 24. September 1897 in Karlsruhe. Noch im selben Jahr benannte die Stadt Karlsruhe eine Straße nach Gutsch.

[1] Kurt Kranich zit. nach: Ludwig Vögely: Der Gutsche-Fritzle. Zum 150. Geburtstag des Karlsruher Mundartdichters, in: Badische Heimat. Zeitschrift für Landeskunde und Kultur, Natur-, Umwelt- und Denkmalschutz, 1988, S. 557–563, hier S. 558.

Gutsch, Friedrich
Karlsruhe
Zeitung

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