Artificial Soundscapes
Flyer Artificial Soundscapes, 1998
Bildmotiv Idee: Joachim Krebs,
Layout: © Engelhardt & Bauer
Der Grundsatztext von Joachim Krebs zu seiner Werkreihe Artificial Soundscapes wurde im vorliegenden Flyer zum ersten Mal veröffentlicht. Er beschreibt darin wesentliche Gesichtspunkte seiner Ästhetik der „EndoMikroSonoSkopie“. Ein künstlerisch-wissenschaftlich-philosophisches Verfahren zur Auswahl von und dem Umgang mit Klangmaterialien aus der Natur. Es folgen zwei Auszüge.
Zum Umgang mit dem Klangmaterial und Einsatz des Samplers
Ein erster, wichtiger Arbeitsschritt bei der Komposition bildet das intensive Studium der einzelnen (vor-)gefundenen und (aus-)gesuchten Geräusche und Klänge aus der Natur. Wichtigste Frage hierbei: Welche natürlich vorhandene und welche zukünftige artifizielle Konsistenz birgt jeder einzelne Klang im zunächst unhörbaren, molekularen Innenbereich der Mikrostruktur? Die Geräusche und Klänge werden deshalb mit dem Instrumentarium des digitalen Samplers aufgezeichnet. Bis in den kleinsten Molekularbereich stellt der Sampler dem Klangkünstler einzelne Binnenstrukturpartikel dieser Geräusch-Klangmaterie zur künstlerischen Weiterarbeit zur Verfügung.
Betrachtung der klangmikroskopierten Naturklänge
Dabei muss man wissen, dass zum Beispiel die Frequenztranspositionen eines Fragmentmusters gleichermaßen auch eine, natürlich immer relative, Veränderung dessen Klangdimensionen auf allen anderen Ebenen gleichzeitig bewirkt. Nicht nur der Parameter Tonhöhe verändert sich, sondern auch Rhythmus und Klangfarbe weisen eine quasi mutierte Gestalt auf. Ein tieferes Transponieren dehnt die Schwingungen und wirkt wie ein Audio-Mikroskop, unter dem die zunächst unhörbaren Binnenstrukturen der Klänge anfangen, ihre organisch vegetativen Klangsymbiosen zu entfalten. Zuvor nicht wahrnehmbare Binnen-Polyphonie und harmonikale Klangfelder der sich eröffnenden inneren Resonanzräume werden nun hörbar. Es geschieht quasi ein Aufklappen und Veräußerlichen der „inneren Intensitäten“ des jeweiligen Klangs.
Joachim Krebs in: Artificial Soundscapes, 1998
Karlsruhe Badische Landesbibliothek, K 3353, A 49
↑CD-Label Artificial Soundscapes
mit Widmung an den Philosophen Gilles Deleuze
Elektroakustische Klangkompositionen, die im Rahmen der Projektreihe Artificial Soundscapes entstanden:
Artificial Soundscape No. 1 (1995)
Auftragswerk des Sender Freies Berlin (SFB) Erstsendung: 1995, Sender Freies Berlin (SFB 3) UA der 11-kanaligen Version für das RaumklangObjekt Hörbild: 1995, Klanggalerie des SFB Dauer: 12’40”
Artificial Soundscape No. 2 (1996)
Erstsendung: 1997, Saarländischer Rundfunk (SR 2) UA der RaumklangInstallation: 1997, Akademie Bad Rotenfels Dauer: 14’00”
Artificial Soundscape No. 3 (1996/97)
Erstsendung: 1997, Hessischer Rundfunk (HR 2) UA der achtkanaligen Version als RaumklangInstallation mit achtgliedrigem Lautsprecherensemble: 1999, Audio Art Festival Warschau Dauer: 27’15”
Artificial Soundscape No. 4 (1998/99)
Erstsendung: 2001, DeutschlandRadio Berlin (DLR)
Badische Landesbibliothek, K 3353, A 49
↑EndoMikroSonoSkopie
Manuskript Joachim Krebs (undatiert)
Joachim Krebs entwickelte Mitte der 1990er-Jahre ein eigenes Verfahren zur Hörbarmachung des Klangmikrokosmos von Tierstimmen. Zur geistigen Durchdringung des Themas skizzierte er zentrale Begriffe und Formulierungen auf Notizblätter, wie auch in dem vorliegenden Skizzenblatt. Seine Suche nach künstlerischen Basisklangmaterialien, die über sein eigenes Vorstellungsvermögen hinausweisen konnten, führte ihn zur Beschäftigung mit den Klängen der Natur. So verweist z.B. der Ausdruck „Das-Natur-Tier-Mensch-Werden der ‚Musik‘“ (vorletzte Zeile) auf diesen ästhetischen Ansatz.
Badische Landesbibliothek, K 3353
↑Die Raumklangkunst-Projektreihe Artificial Soundscapes 1995–1999
Vorarbeiten zum Grundsatztext Artificial Soundscapes, Manuskript Joachim Krebs
Joachim Krebs schreibt in seinem Grundsatztext: „Die Klangkompositionen des Zyklus Artificial Soundscapes versuchen, jenseits von traditionellen Kategorien und Begriffen, … im ‚Dazwischen‘, eine Klangkunst zu etablieren, welche auf radikale Weise versucht – unter ausschließlicher Verwendung von Original-Klangmaterialien der drei Klangkategorien: Natur, Tier und Mensch – bei kontinuierlicher Molekularisierung und Transformierung des realen Klanges, multilineare, artifizielle KlangGefüge zu erzeugen, die aus ihrer eigenen Mitte, in Selbstintensivierungsschleifen eigendynamisch vibrierende Klangenergien, quasi Intensitätsströme von GeräuschKlangPartikeln freisetzen, um entsubjektivierte Ausdrucksmaterien und Affektketten zu heterogenen KlangMilieus mannigfaltigster Art amalgamieren zu lassen.“
Badische Landesbibliothek, K 3353, A 49
↑Artificial Soundscape No. 1
Hörbild RaumklangObjekt, Klanggalerie des Sender Freies Berlin, Ausstellung 25.8.–5.9.1995,
Foto: © Sabine Schäfer, VG Bild
Joachim Krebs produzierte seine erste Komposition Artificial Soundscape No. 1 für das RaumklangObjekt Hörbild als Auftragswerk des Senders Freies Berlin (SFB). Die Uraufführung der elfkanaligen Version für das RaumklangObjekt Hörbild fand in der Klanggalerie des SFB statt. Dort wurde das Hörbild mit weiteren Kompositionen der Künstler Schäfer und Krebs bespielt.
Badische Landesbibliothek, K 3353, A 50
↑Rezension
Badische Neueste Nachrichten (BNN), vom 8.7.1997
Noch vor der Begründung des Künstlerateliers Sabine Schäfer / Joachim Krebs realisierten die beiden Künstler zusammen Projekte, wie das zur Eröffnung der Landesakademie Schloss Rotenfels im Jahr 1997, im Rahmen dessen die Werke Artificial Soundscapes No. 3 von Joachim Krebs und TopoPhonie Nr.3 von Sabine Schäfer aufgeführt wurden.
Badische Landesbibliothek, K 3353, A 49
↑© Badische Landesbibliothek 2019.