Film – Schwarz-Weiß und mit Goldrand

Vor hundert Jahren war die Zigarette ein neues Produkt mit immensen Zuwachsraten. Niemand interessierte sich für die mit ihr verbundene Gesundheitsgefährdung oder ihr Suchtpotenzial. Wer Zigaretten rauchte, lebte am Puls der Zeit und durfte sich mit zur Avantgarde zählen. Die Zigarettenindustrie orientierte sich an den ambitioniertesten Trends der Reklamekunst und nutzte auch Sammelbilder als Mittel der Produktwerbung.

Als die Zeit der chromolithografisch hergestellten Liebig-, Palmin-, Erdal- oder Stollwerck-Bilder gerade vorbei war, begann Ende der 1920er Jahre mit der sich ausdifferenzierenden Markenproduktion in der Zigarettenindustrie das Zeitalter der Zigarettenbilder. Sie entstanden auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise und wurden in den 1930er Jahren in Millionenauflagen produziert. Im Vordergrund stand nicht mehr der „Hausschatz“ einer über Sammelbilder erworbenen enzyklopädischen Allgemeinbildung, sondern die Expertise zu aktuellen Filmstars oder Spitzensportlern. Die Zigarettenbilder widmeten sich Phänomenen der Unterhaltungsindustrie, an der Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen teilhatten. Und sie verstärkten sie noch, indem sie zur weiteren Popularisierung beitrugen.

Besonders eng war die Symbiose mit der Filmindustrie. In Baden-Baden eignete die Zigarettenfirma Batschari ihrer Premiummarke Mercedes in den Jahren 1930–1932 fünf Alben mit 800 Fotos von Filmstars im Bromsilberdruck zu. Das erste Album Filmkünstler aus aller Welt mit 168 internationalen Stars der Stummfilm-Ära erklärte den engen Zusammenhang zwischen Tabakgenuss und Filmkunst: „Film und Cigarette, zwei in ihren Zielen und Auswirkungen verwandte Elemente, haben sich in wenigen Jahrzehnten in unserer Gesellschaft und unserem Sein eine erste Position erobert. Und noch ist ihr Siegeszug nicht beendet. Sie entsprechen beide so sehr dem, was der hastende Mensch unserer Tage zu seiner Entspannung und Erholung, zu seiner Ablenkung braucht, dass der Freundeskreis von Film u. Cigaretten sich gewissermaßen täglich weitet. […] So ist es also keineswegs verwunderlich, […] wenn wir versuchen, den Freunden unserer Cigaretten die Lieblinge des Films nahezubringen oder wenn wir umgekehrt über unsere Filmbilder die Verehrer der Filmkunst für unsere Mercedes, die Batschari-Marke großer Klasse, zu gewinnen suchen.“

Den Stummfilm- folgten die Tonfilmgrößen, den Schwarz-Weiß-Bildern die Farbfotos. Die höchste Glanzleistung waren 1933 die Salem Gold-Film-Bilder der Yenidze-Zigarettenfabrik in Dresden. Es dominierten Lilian Harvey und Willy Fritsch als das Traumpaar des deutschen Kinos dieser Zeit, aber auch Hans Albers, Brigitte Helm, auf internationalem Parkett Greta Garbo und das neue Leinwandidol Marlene Dietrich. Wer Tonfilmbilder sammelte, schuf mit „am sausenden Webstuhl unserer Zeit“. Keine Frage: Das war die Identität des modernen Menschen im Jahr 1930.

Später war es die Margarineindustrie, die auch den Filmbildern neuen Aufschwung verlieh. Das Holsteinische Margarinewerk Elbgau Hahne, von Storch & Co. gab Anfang der 1950er Jahre Sammelalben zu den Kinderfilmen Das doppelte Lottchen und Pünktchen und Anton von Erich Kästner und zu der Filmkomödie Vater braucht eine Frau heraus. Sie erzählen den Film als Fotoroman nach, stellen die Schauspieler vor und illustrieren das alles mit Zeichnungen. Einkleben musste man nur noch die Fotos. Die erhielten jene Kinder, denen ihre Mutti Nussella zum Frühstück gönnte.

Zigarettenbild, welches die Schauspieler Greta Garbo und Ramon Novarro in dem Film „Mata Hari“ zeigt.

Mercedes Filmbilder.
Teil 5: Ton-Film-Bilder. Die Stars der Metro Goldwyn Mayer.
[Baden-Baden]: A. Batschari Cigarettenfabrik, 1932.

Sammelalbum mit 127 nummerierten Fotos von internationalen Film-Stars der Filmgesellschaft Metro Goldwyn Mayer im Portrait, als Filmpaar oder in Filmszenen, zugeordnet zu 25 aktuellen Filmtiteln.

Hier der Film Mata Hari mit Greta Garbo und Ramon Novarro (1931), ergänzt durch eine farbige Einlage im Rasterdruck.

Von durchschlagendem Erfolg: die Zigarette als Zeichen emanzipatorischer Weiblichkeit. Die moderne Frau: sie raucht!

Badische Landesbibliothek: 121 F 158,R,5

Zum Digitalisat

Fotografie einer Zigarettendose der Zigarettenmarke A. Batschari.

A. Batschari Cigarettenfabrik G.m.b.H., Baden-Baden:
Zigarettendose Mercedes.

Badische Landesbibliothek

Einband des ersten Salem „Gold-Film-Bilder“ Sammelbildalbums.

Salem Gold-Film-Bilder. Album 1.
Dresden: Salem-Cigarettenfabrik, 1932.

Sammelalbum mit 270 Fotos von deutschen und internationalen Filmlieblingen. Den Vorderdeckel ziert das Bildnis der Schauspielerin Truus van Aalten, bis 1933 eine der populärsten Darstellerinnen des deutschen Films im Rollenfach des drolligen Mädchens.

Badische Landesbibliothek: 124 C 14,1
Geschenk von Jutta Schüler, Karlsruhe

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Einband des zweiten Salem „Gold-Film-Bilder“ Sammelbildalbums.

Salem Gold-Film-Bilder. Album 2.
Dresden: Salem-Cigarettenfabrik, 1932.

Sammelalbum mit 270 Fotos von deutschen und internationalen Filmlieblingen.

Die Filmbilderalben präsentieren auch viele Stars der UfA, die nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten Deutschland verlassen mussten. Hier aufgeschlagen: Seite 2 mit den Portraits von Conrad Veidt, der im April 1933 mit einer jüdischen Frau nach England floh, von Ernst Verebes, der 1933 in die USA emigrierte, von Gitta Alpar, die 1933 nach Ungarn, und von Dolly Haas, die 1936 nach England flüchtete. Enthalten sind auch Bilder von Fritz Grünbaum, der 1941 im KZ Dachau zu Tode kam, und von Otto Wallburg, der 1944 im KZ Auschwitz ermordet wurde. Neben diesen und vielen weiteren Verfolgten des NS-Regimes finden sich etliche Schauspieler, die es 1944 auf die „Gottbegnadetenliste“ von Joseph Goebbels schafften und unter besonderen Schutz gestellt wurden, beispielsweise auf Seite 3: Hans Albers. Als das Album erschien, wusste noch niemand, was kommen würde.

Badische Landesbibliothek: 124 C 14,2
Geschenk von Jutta Schüler, Karlsruhe

Zum Digitalisat

Oskar Kalbus:
Vom Werden deutscher Filmkunst.
Teil 1: Der stumme Film.
Teil 2: Der Tonfilm.
Altona-Bahrenfeld: Cigaretten-Bilderdienst, 1935.

Aus dem Ufa-Nibelungenfilm von Fritz Lang: Siegfried und Kriemhild. Farbtafel.

Badische Landesbibliothek: 124 F 710
Geschenk von Dr. Julia von Hiller, Karlsruhe

Digitalisat der SLUB Dresden

 

Einband des Sammelbild-Albums „Das doppelte Lottchen“.

Das doppelte Lottchen.
Nach dem gleichnamigen Film von Erich Kästner.
Hamburg: Holsteinisches Margarinewerk Elbgau Hahne, von Storch & Co., [1953].

Sammelalbum mit 96 Fotos und Illustrationen.

Badische Landesbibliothek: 124 F 130

Aus Urheberrechtsgründen nicht digitalisiert.

Einband des Sammelbild-Albums „Pünktchen und Anton“.

Pünktchen und Anton.
Nach dem gleichnamigen Film von Erich Kästner.
Hamburg: Holsteinisches Margarinewerk Elbgau Hahne, von Storch & Co., [1954].

Achten Sie auf Seite 13! Hier ist Margarine-Werbung in Erich Kästners Geschichte hineingemogelt, auf dem Heimweg von der Schule nämlich macht Pünktchen halt:

Ohne Übergang fragt sie plötzlich: „Hast du mir heute Sammelbilder mitgebracht?“ „Ja, natürlich“, erklärt Anton, „Ei-Nussa-Bilder.“ „Au fein!“ sagt Pünktchen begeistert. Denn Margarinebilder bekommt sie zuhause nicht. Die sammelt Berta, die Köchin, für ihren Neffen.

Badische Landesbibliothek: 124 F 129

Aus Urheberrechtsgründen nicht digitalisiert.

Einband des Sammelbild-Albums „Vater braucht eine Frau – Kinder suchen eine Mutti“.

Vater braucht eine Frau. Kinder suchen eine neue Mutti.
Nach dem gleichnamigen Film von Christian Bock und Herbert Reinecker.
Hamburg: Holsteinisches Margarinewerk Elbgau Hahne, von Storch & Co., [1953].

Vier Kinder suchen sich per Stellenanzeige eine neue Mutter und für ihren Vater eine neue Frau. Die Filmkomödie aus dem Jahr 1952 ist im Hinblick auf das darin vermittelte Frauenbild nur noch schwer erträglich. Immerhin hat die Suche der Kinder aber Erfolg.

Badische Landesbibliothek: 124 F 131

Aus Urheberrechtsgründen nicht digitalisiert.

Stundenplan mit Illustrationen des „Doppelten Lottchen“-Sammelbildalbums.

Elbgau-Stundenplan:
Das doppelte Lottchen. [1953].

Auch die Elbgau-Margarinefabrik nutzte das Medium Stundenplan, um auf dessen Rückseite die Werbung für ihre Sammelbildalben mit Abstreichlisten der Seriennummern unterzubringen. Dazu mussten die Mütter der sammelnden Kinder allerdings Ei-Nussa oder Nussella auf die Schulbrote schmieren.

Badische Landesbibliothek: 120 H 9002

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Jahreskalender und Sammelplan aus dem Sammelbildalbum „Vater braucht eine Frau!“

Elbgau-Stundenplan:
Vater braucht eine Frau. [1953].

Badische Landesbibliothek: 120 H 9003

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Literatur speziell zu den Filmbildern

  • Dorle Weyers: Eroberte Länder – kultivierte Fremde. In: Dorle Weyers, Christoph Köck: Die Eroberung der Welt. Sammelbilder vermitteln Zeitbilder. Detmold: Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Westfälisches Freilichtmuseum Detmold, 1992. (Schriften des LWL-Freilichtmuseums Detmold, Westfälisches Landesmuseum für Volkskunde / Westfälisches Freilichtmuseum. 9). S. 118–143: Menschenbilder – Frauenbilder – Männerbilder.
    121 B 338
  • Patrick Rössler: Filmfieber. Deutsche Kinopublizistik 1917–1937. Erfurt: Universität Erfurt, 2017. Insbesondere S. 292–295.
    119 B 1546
  • Judith Blume: Wissen und Konsum. Eine Geschichte des Sammelbildalbums 1860–1952. Göttingen: Wallstein Verlag, 2019. S. 164–222: BULGARIA: Masse, Serie und Symmetrie – Das Album als Katalog. Insbesondere S. 198–222 zu den Filmalben.
    119 B 1548

Zu den Zigarettenbilderalben

  • Michael Weisser: Cigaretten-Reclame. Über die Kunst blauen Dunst zu verkaufen. Die Geschichte der Zigarette, ihrer Industrie und ihrer Werbung, von 1860 bis 1930.
    Münster: Coppenrath 1980. Insbesondere S. 93f.
    82 B 1748
    Neuausgabe: Bassum: Doell, 2002. Insbesondere S. 93f.
    102 B 1739
  • Hiram Kümper: Nichts als blauer Dunst? Zigarettensammelbilder als Medien historischer Sinnbildung – quellenkundliche Skizzen zu einem bislang ungehobenen Schatz. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 59 (2008), S. 492–508.
    ZA 1862
  • Hiram Kümper: Bevor Panini kam: Zigarettensammelbilder und das kollektive Bildgedächtnis des 20. Jahrhunderts. In: Tabak und Gesellschaft. Vom braunen Gold zum sozialen Stigma. Hrsg. von Frank Jacob und Gerrit Dworok. Baden-Baden: Nomos, 2015. S. 347–374.
    115 A 8434
    Zur Online-Publikation
  • Judith Blume: Wissen und Konsum. Eine Geschichte des Sammelbildalbums 1860–1952. Göttingen: Wallstein Verlag, 2019. S. 164-222: BULGARIA: Masse, Serie und Symmetrie – Das Album als Katalog; S. 223–304: REEMTSMA: Nähe, Intimität und Nachbarschaft – Album und Unmittelbarkeit.
    119 B 1548
  • Julia Hiller von Gaertringen: Hochwertige Tabake in vollendeter Mischung. Von Anfang und Ende der Zigarettenwerbung: Sammelalben aus Baden-Baden. In: Badische Heimat 101 (2021), H. 2, S. 175–183.
    https://doi.org/10.57962/regionalia-22361
    Als BLBlog vom 12.10.2021: https://doi.org/10.58019/05BC-6A89

Text: Dr. Julia Freifrau Hiller von Gaertringen
© Badische Landesbibliothek 2025

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