Erwerbung 2018

Das Bild zeigt zwei Personen, die sich die Wigalois-Handschrift ansehen. Aufgeschlagen sind die Blätter 43v und 44r mit einer Illustration, die Wigalois bei der Befreiung einer aus dem Artusreich geraubten Jungfrau zeigt.

Bl. 43v-44r: Wigalois befreit eine aus dem Artusreich geraubte Jungfrau aus der Gewalt zweier Riesen

Im Jahr 1990 veräußerte das Haus Fürstenberg den Wigalois-Roman zusammen mit drei anderen, aufgrund reicher Illustration ebenfalls besonders kostbaren deutschsprachigen Donaueschinger Handschriften des 15. Jahrhunderts an einen amerikanischen Sammler. Über den Verkauf wurde nichts öffentlich bekannt, die damals schon weltbekannten Handschriften galten seither als verschollen. Im Jahr 2003 gelangten sie auf den Antiquariatsmarkt und wurden auch der Badischen Landesbibliothek zu einem unerschwinglichen Gesamtpreis angeboten. Das Fechtbuch Cod. Don. 862 wurde 2008 an das Musée de Cluny – Musée national du Moyen Âge in Paris (Cl. 23842) verkauft, der astronomisch-medizinische Kalender Cod. Don. 494 aus Konstanz ging an die Rare Book & Manuscript Library Collection der University of Pennsylvania (LJS 463), die Bellifortis-Handschrift (Cod. Don. 860) befindet sich vermutlich noch im Handel. Die Wigalois-Handschrift wechselte 2012 in den Besitz von Dr. h.c. Heribert Tenschert in Ramsen, Schweiz, der ihre Rückkehr in den angestammten Überlieferungskontext sehr befürwortete, und konnte Ende 2018 aus dessen Antiquariat Bibermühle für die Badische Landesbibliothek erworben werden.

Vor ihrem Verkauf in die USA hat die Handschrift die Region am Oberrhein vermutlich nie verlassen. Es gibt zwar keine Eintragungen oder andere Hinweise im Objekt selbst, die Rückschlüsse auf bestimmte Vorbesitzer zuließen, doch ist sicher anzunehmen, dass die Handschrift im 15. Jahrhundert bereits für einen adligen Käufer dieser Region angefertigt wurde. Zwei in gleichartige Holzdeckel mit Pergamentrücken gebundene Bände in der Württembergischen Landesbibliothek, eine Handschrift aus der Abtei Weingarten mit Texten von Rudolf von Ems (HB XIII 2) und eine Inkunabel aus Donaueschingen mit Hans Vintlers „Blumen der Tugend“ (Inc.fol.16082 b), lassen darauf schließen, dass sich die Handschrift schon im 16. Jahrhundert in einer südwestdeutschen Adelsbibliothek befand, von wo aus sie in den Besitz der Fürsten zu Fürstenberg gelangte. Um 1730/40 erscheint sie im Katalog von deren Meßkircher Büchersammlung unter Nr. 43 der Abteilung N, Manuscripta, als „Ritterß Herwigelis Historie. fol.“. Nach dem Aussterben der Meßkircher Linie wurde sie 1768 nach Donaueschingen gebracht und gehörte dort mit 168 weiteren Codices zum Grundstock der berühmten Fürstlich Fürstenbergischen Handschriftensammlung.

Als das Land Baden-Württemberg im Frühjahr 1993 die hochbedeutende Donaueschinger Handschriftensammlung aus dem Privatbesitz der Fürsten zu Fürstenberg zur Gänze erwarb, bewahrte es einen über Jahrhunderte in der Oberrheinregion gewachsenen Sammlungsbestand vor der Zerstreuung. Es fehlten 27 von ehemals 925 Buchhandschriften und vier Handschriftenfragmente (vgl. Standorte der ehemals Donaueschinger Handschriftensammlung), darunter auch die Wigalois-Handschrift. Für die Handschrift C des Nibelungenliedes wurde eine Kaufoption vereinbart; sie gelangte 2001 als Eigentum der Landesbank Baden-Württemberg und der Bundesrepublik Deutschland in die Badische Landesbibliothek.

Dank der Erwerbung für das Land Baden-Württemberg im Jahr 2018 steht nun auch die Donaueschinger Wigalois-Handschrift der Forschung und der Öffentlichkeit wieder zur Verfügung. Für Untersuchungen zum Text-Bild-Verhältnis in der spätmittelalterlichen Buchillustration, zur Tradition ideeller Werte der höfischen Epik in der Buchkultur des Spätmittelalters oder zu den Überlieferungszusammenhängen literarischer Texte im deutschen Südwesten ist die Handschrift eine erstrangige Quelle. Da der Text niemals ediert worden ist, sind auch aus dem Textvergleich mit anderen Handschriften noch interessante Aufschlüsse zu erwarten. Für die interdisziplinäre mediävistische Forschung zur Buchmanufaktur der Diebold-Lauber-Werkstatt in Hagenau ist es ein besonderer Glücksfall, dass die Handschrift ihr an der Badischen Landesbibliothek nun wieder zur Verfügung steht.

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