Reichenauer Handschriften

Schätze der Vergangenheit – Faszinierend bis heute

Die Badische Landesbibliothek bewahrt in ihren Sammlungen Handschriften und alte Drucke von unschätzbarem kulturhistorischen Wert. Einen besonderen Stellenwert nimmt das zahlenmäßig größte Ensemble der ehemaligen Klosterbibliothek der Insel Reichenau ein. Die teilweise über 1.000 Jahre alten Schriften spiegeln Kultur und Lebensweise eines der wichtigsten Klöster nördlich der Alpen und erfahren in diesem Jahr besondere Beachtung: 2024 wird das 1.300-jährige Bestehen des Klosters Reichenau im Rahmen einer Großen Landesausstellung gefeiert.

Zahlreiche der mittelalterlichen Handschriften sind als Leihgabe in Konstanz zu bewundern. Die Ausstellung in unserem Haus lenkt daher den Blick auf die künstlerische Rezeption.

Sammlung wissenschaftlicher Texte, Handschrift auf Pergament, 11./12. Jahrhundert, Badische Landesbibliothek, Cod. Karlsruhe 504.

Das Kloster Reichenau – Weltkulturerbe mit europäischer Strahlkraft

Die Geschichte des Klosters Reichenau reicht bis ins 8. Jahrhundert zurück. Um 724 gründete der Wandermönch Pirmin (um 670–753) das Kloster auf der Bodenseeinsel in heidnischem Gebiet. Innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelte sich das Kloster zu einem monastischen Zentrum des Fränkischen Reiches. Die erste Hochphase des Klosters fiel in die Zeit des ausgehenden 8. und 9. Jahrhunderts, als die Christianisierung Alemanniens vorangetrieben wurde.

Berühmtheit erlangte die Klosterinsel Reichenau durch Personen wie Abt Walahfrid Strabo (807–849), dessen Liber de cultura hortorum zu den bedeutendsten gartenkundlichen Werken des Mittelalters zählt. Weitere Schriftzeugnisse bieten Einblicke in den mittelalterlichen Klosteralltag und die zeitgenössische Wissenskultur. In ottonischer Zeit brachte die Reichenauer Malschule herausragende Handschriften hervor, die den Ruhm des Klosters in ganz Europa noch vermehrten.

Im Spätmittelalter folgte der geistige und materielle Niedergang der Mönchsgemeinschaft. Im 16. Jahrhundert musste die Klosterleitung an den Bischof von Konstanz abgetreten werden; 1757 wurde das Kloster aufgehoben. Als Folge der Säkularisation ging der gesamte erhaltene Bestand der Handschriften 1803 in den Besitz der Karlsruher Hofbibliothek, heute die Badische Landesbibliothek, über und wird dort bis heute bewahrt.

Die Klosterinsel Reichenau wurde im Jahr 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Drei Jahre später erhielten einige im Reichenauer Kloster geschriebene und ausgeschmückte Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts den Status eines UNESCO-Weltdokumentenerbes. Fast 250 Jahre nach der Aufhebung des Klosters kamen 2001 wieder Benediktiner und Benediktinerinnen auf die Insel, die seitdem im Kloster als Glaubensgemeinschaft leben.

Die Klosterbibliothek – Vom Bodensee nach Karlsruhe

Lektionar, Reichenau, 11. Jh., Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Cod. Aug. perg. 16, Fol. 32r.

Das Kloster Reichenau ist auch aufgrund seiner Klosterbibliothek bis heute weltberühmt. Nur wenigen ist dabei bekannt, dass die kunstvoll gestalteten Handschriften der Reichenauer Malschule meist nicht Teil der ursprünglichen Klosterbibliothek waren. Vielmehr entstanden diese Prachthandschriften als Geschenke oder Auftragsarbeiten für die geistlichen und weltlichen Herrscherhäuser in ganz Europa. Die Bibliothek hingegen war der Lehre und dem Studium der Inselmönche vorbehalten. Die Mönche erwarben gezielt Bücher, stellten Abschriften her oder erhielten Handschriften als kostbare Geschenke. Der Niedergang des Klosters im Spätmittelalter hatte direkte Auswirkungen auf die Klosterbibliothek. Nach dem Verlust der Unabhängigkeit des Klosters an den Konstanzer Bischof 1540 enthielt die Bibliothek viel weniger Bücher als in ihrer Glanzzeit.

Insgesamt sind heute 267 Pergamenthandschriften, 162 Papierhandschriften und 212 Fragmente in der Badischen Landesbibliothek erhalten. Hinzu kommen 242 mittelalterliche Drucke, die seit März 2024 im Volltext durchsuchbar und, ebenso wie alle Handschriften, in den Digitalen Sammlungen zugänglich sind. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt der Reichenauer Sammlung auf religiösen und theologischen lateinischen Texten. Daneben haben sich auch naturwissenschaftliche, praktisch‐medizinische, geographische und astronomische Werke der Spätantike erhalten, weiterhin Werke zu Grammatik, Rhetorik und Sprache. Im Kloster Reichenau wurden lateinische Texte ins Deutsche übertragen. So finden sich zwischen den Zeilen von Reichenauer Handschriften zahlreiche althochdeutsche Eintragungen, die den lateinischen Text zumeist Wort für Wort in die Volkssprache übersetzen.

Tipp

Podcast Mönchsgeflüster. Grafik: Badisches Landesmuseum

Weitere spannende Details zur Klosterbibliothek bietet auch der Podcast Mönchsgeflüster des Badischen Landesmuseums. In der Episode „Wie übersteht die Klosterbibliothek die Jahrhunderte?“ spricht Marvin Gedigk mit Dr. Annika Stello von der Badischen Landesbibliothek.

 

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