Zuhause – Alltag und Familie

Im Alltag der deutschen Familien regierte 1918 der Mangel. Schon im ersten Kriegsjahr hatte sich die Ernährungslage dramatisch verschlechtert. Ein schneller Sieg war erwartet – für eine längere Kriegsdauer waren keine Vorbereitungen getroffen und die Effektivität der alliierten Blockade war gefährlich unterschätzt worden. Die Rationierung erfolgte zunächst im Frühjahr 1915 für Brot und Mehl, im November 1915 für Milch, im Lauf des Jahres 1916 auch für Kartoffeln, Zucker, Fett und Fleisch und andere Waren des täglichen Bedarfs. Konsumbeschränkung reichte nicht mehr aus, um die Lebensmittelversorgung sicherzustellen. Nun wurden Lebensmittel „gestreckt“ und „Ersatzspeisen“ in den Speiseplan aufgenommen. „Neue“ bzw. neu nutzbar gemachte Lebensmittel wurden verarbeitet, z.B. Bucheckern oder Obstkerne als Fettquelle oder Brennnessel und Melde als Gemüse. Auch Pilze hatten Hochkonjunktur. Die Koch- und Ernährungsbücher des Jahres 1918 lehrten den Umgang mit dem Mangel und gaben Tipps für die Zubereitung von Fleischersatzspeisen aus Getreide, Kartoffeln oder Gemüse.
 
Auch bei der Kleidung mussten sich die Familien mit weniger begnügen und Surrogate akzeptieren. Die Umrüstung der Textilindustrie auf Kriegsproduktion brachte sich stetig verschärfende Versorgungsengpässe mit sich. Der Mangel an Rohstoffen erzwang ebenso wie die sinkende Kaufkraft gravierende Neuerungen in der Mode, die zugleich zukunftsweisend wurden: es etablierte sich ein Trend zu Vereinfachung und Verknappung. Die Röcke wurden kürzer, die Formen gerader, die Silhouetten schmaler, die Falten flacher, die Hüte kleiner. Die Modezeitschriften warben 1918 für Modelle, bei denen abgetragene Kleidung nach dem Motto „aus Alt mach Neu“ in aktuellen Schnitten wiederverwendet werden konnte. Kunstfasern als Ersatzstoffe setzten sich durch. Trikotgewebe wurde zur Alternative für Webstoffe. Die Damenhose schaffte den Sprung über die jahrhundertealte Tabugrenze. All dies leitete über zum schlichten und sachlichen Stil der Mode der 1920er-Jahre.

Der Krieg machte auch vor den Kinderzimmern nicht halt. Kinderbücher wurden für die Propaganda missbraucht, Märchen und Kinderbuchklassiker wurden umgeschrieben und neu illustriert. So erschien schon 1915 der Kriegs-Struwwelpeter in Deutschland oder 1917 eine Neuausgabe von Rotkäppchen in Paris, wobei die Geschichten dem Kriegs- und Feindbild angepasst wurden. Kinderbuchpropaganda fand man nicht nur im Deutschen Reich, sondern auch bei den anderen Nationen. Die Kinder lernten schnell, dass schuldig am Krieg immer der andere war – diese Haltung spiegelte sich in zahlreichen Bilder- und Jugendbüchern wider. In der Folge wurde Krieg auch zum Kinderspiel auf den Straßen der Städte wie Berlin und Paris. Die Kinder des Ersten Weltkrieges wurden zwei Jahrzehnte später die Soldaten des Zweiten Weltkrieges. Daneben wurden vereinzelt aber auch politisch nicht beeinflusste oder pazifistische Kinderbücher veröffentlicht.

© Badische Landesbibliothek 2018. Autoren: Dr. Julia Freifrau Hiller von Gaertringen, Gabriele Philipp

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